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Hommelhoff, ZHR 189 (2025), Heft 02-03, Beilage, 12-14
Hommelhoff 

Trauerrede

Peter Hommelhoff *

Das Amt des Rektors, sehr verehrte Frau Nast-Kolb, sehr verehrte Familie Ulmer, Magnifizenz Melchior, Spectabilis Axer, collegae und hohe Trauergemeinde, das Amt des Rektors der Ruperto Carola hat Peter Ulmer als Krönung seiner akademischen Laufbahn weitsichtig, sorgfältig, behutsam und dennoch stets zielorientiert angestrebt. In 1991 ein wahrhaft begehrenswertes Ziel für den genau richtigen Mann.

Die Ruperto Carola: die klassische Volluniversität, in all' ihren Fächern von der Theologie über die Jurisprudenz und die Lebens- und Naturwissenschaften bis hin zu den kleinen Fächern links des Neckars die Wirkstätte der Humboldt'schen Idee, Forschung und Lehre harmonisch miteinander zu verbinden; der Glanz der ältesten Universität in Deutschland mit vielfältig herausragendem Ruf in den Wissenschaften und weltweitem Ansehen. Rektor oder Rektorin dieser Universität: ein Amt voller Verheißungen.

Für dies Amt war Peter Ulmer wie nur wenig andere als primus inter pares geschaffen: ein herausragender Wissenschaftler, der auf seinen Forschungsfeldern zur absoluten Spitze seiner Fachgenossen zählte, ein engagierter und erfolgreicher akademischer Lehrer, im Heidelberger Kollegenkreis ebenso respektiert und akzeptiert wie deutschlandweit, in der akademischen Selbstverwaltung aus Engagement heraus erfahren und (besonders wichtig) vom spezifischen Geist der Ruperto Carola schon seit seiner Zeit als Heidelberger Privatdozent tief durchdrungen, was im Schlaglicht später in der von ihm initiierten Gedenktafel an die im Nationalsozialismus umgekommenen und vertriebenen Professoren in der Alten Universität aufgeschienen ist. Für die Universität war die Bewerbung Peter Ulmers ein großes Glück. Gänzlich verfehlt deshalb der Zuruf seines akademischen Lehrers: “Er ist verrückt geworden, er will Rektor werden.”

Auf diese Bewerbung hat er sich in den fünfzehn Jahren seit seinem Wechsel aus Hamburg zurück zur Juristischen Fakultät seiner Heimatuniversität glänzend vorbereitet. Schon mit seinen Leistungen als Forscher hat er (sogar von den Öffentlichrechtlern anerkannt) das Ansehen unserer Fakultät bei den Schwesterfakultäten in Deutschland und Österreich erheblich gesteigert, aber auch zum Wohl unserer Studenten in der Anwaltschaft und bei den Unternehmen: Heidelberger Absolventen fiel und fällt der Berufseinstieg leichter. Sie haben die Ulmer'schen Vorlesungen, gut vorbereitet, durchstrukturiert und schnörkellos klar vorgetragen, überaus geschätzt, vor allem jedoch seine Semi-ZHR 189 (2025), Heft 02-03, Beilage S. 12 (13)nare mit ihrem ausgeprägten Praxisbezug. Im Staatsexamen prüfte er kühl, gerecht ohne jede Laune und streng sachlich bis zur Härte.

In seinem Dekanat, recht bald nach seinem Wiedereintritt übernommen, sah er seine vordringliche Aufgabe darin, die Fakultät in ihrer damals schwierigen Lage zu integrieren. Von den Kollegen verlangte er nicht mehr, aber auch nicht weniger, als er sich selbst abverlangte, und zögerte nicht, falls nötig, den einen und anderen ans Portepée zu fassen. So wuchs Peter Ulmer zum respektierten Vorbild heran, dem die langjährige Dekanatssekretärin, in den Augen mancher die wahre Macherin in der Fakultät, noch nach bald zwei Jahrzehnten attestierte, er sei ein wirklicher Dekan gewesen. Peter Ulmer war Führungspersönlichkeit.

Die bekannt schwierigen Entscheidungsprozesse in der Juristischen Fakultät beeinflusste er meisterlich. Er, der bis zur Ruppigkeit stringent sein konnte, mied, wenn es irgend ging, die offene Feldschlacht in der Schlussberatung vor der Abstimmung in der Fakultätssitzung, obwohl er sie, wenn's sein musste, auch nicht scheute. Seine Stärke lag in den mit langer Hand vorbereiteten Vieraugengesprächen und in Telefonaten, in denen er ideenreich und argumentationsstark für seinen Standpunkt warb und nicht selten auch focht. Schon vor der Beratung in der Sitzung war dann eigentlich schon alles entschieden – Ergebnis seiner hochgeschickten Fakultätspolitik.

Seiner Fakultät gehörte Peter Ulmer offensichtlich gern an. Hat er doch seinen Rücktritt als Rektor zur Mitte seiner zweiten Amtszeit mit dem Wunsch begründet, auf seinen Lehrstuhl und somit in seine Fakultät zurückzukehren.

Die Erfahrungen, die er über lange Jahre hinweg in der Juristischen Fakultät gesammelt hatte, haben ihn nicht nur geprägt, sondern darüber hinaus ertüchtigt, das herausfordernde, aber zugleich glanzvolle Amt des 740. Rektors der Ruperto Carola zu übernehmen. In ihm erwies sich Peter Ulmer mit seinem Ideenreichtum und seiner frappierenden Befähigung zu konzeptionellem Denken als hochschulpolitischer Stratege und mit seiner charakteristisch streng sachlich abgewogenen Argumentation als hochgeschätzter Akteur zum Wohle der Universität Heidelberg.

Denn sie stand in den neunziger Jahren zusammen mit anderen Universitäten vor einer Vielzahl fundamentaler Herausforderungen: dem ungebremsten Zustrom Studierwilliger, der überlangen Studiendauer nicht weniger, der Überlast in der akademischen Lehre, verbunden mit der Gefahr ihrer wissenschaftlichen Verflachung und Verschulung; konfrontiert mit dem hochschulpolitischen Schlachtruf: “Verbesserung der Lehre!”; zur Untermalung des weit verbreitet schlechten Bildes der deutschen Universitäten in der deutschen Öffentlichkeit; die für eine durchgreifende Qualitätsverbesserung fehlenden Finanzmittel, ja weiter noch: die vom Land Baden-Württemberg eingeforderten drastischen Einsparungen; sowie schließlich die von alledem erzwungenen Reformen in der Universitätsstruktur und im Fächerangebot.

Wer zu diesen Herausforderungen die jährlichen Rechenschaftsberichte des Rektors Peter Ulmer zur Hand nimmt, dem nötigen sie noch heute Hochach-ZHR 189 (2025), Heft 02-03, Beilage S. 12 (14)tung ab. Schon die Erfassung der Sachverhalte und ihre abgewogene, stets treffsichere Analyse, unverkennbar vom Rektor selbst vorgenommen, offenbaren seinen Blick für die großen Zusammenhänge zwischen den Schwächen der Studierenden, den Mängeln der akademischen Lehre und der Prüfungen in ihr sowie den an manchen Stellen mittlerweile arg verkrusteten Lehrprogrammen. Innerhalb der Universität weist Peter Ulmer diese Schwächen und Mängel präzise ihren jeweiligen Quellen zu und schützt so schon auf Sachverhaltsebene die Universität vor dem Vorwurf, durchgehend leistungsschwach zu sein. Schon damit hat er die Universität Heidelberg vor den Eingriffen einer nur allzu zugriffsfreudigen Ministerialverwaltung bewahrt und zugleich der Universität Freiraum erkämpft, um aus eigenen Kräften mit eigenen Mitteln die Misere möglichst weit gehend selbst zu überwinden.

Diese Mittel hat Peter Ulmer mit strategischem Weitblick und deutlich spürbarer Innovationsfreude selbst initiiert: Von der Strukturierung des Grundstudiums, namentlich in den Geisteswissenschaften, bis zur Freiversuchs-Regelung für die Abschlussprüfung und deren beschleunigte Durchführung; all' dies ergänzt um die Forderung an die Politik, die Universitäten ihre Studenten selbst auswählen zu lassen und die Finanzmittel universitätsintern nach Leistungskriterien zuteilen zu können. Vieles von dem konnte umgesetzt werden – nicht weil Peter Ulmer dies dekretierte; vielmehr ermutigte er geschickt die Fakultäten, Institute und Zentren, Magnifizenz, sich aus eigenem Antrieb auf die Herausforderungen und ihre Lösung einzulassen. Umstrukturierung, Profilierung und Reformen wurden in der Universität Heidelberg in ihrer ganzen Breite an beiden Ufern des Neckars von unten nach oben betrieben.

Auf diesem Weg hat Peter Ulmer die Ruperto Carola, ihre Angehörigen und ihre Institutionen nachdrücklich mobilisiert und für die Erkenntnis sensibilisiert, dass sogar eine noch so renommierte Universität permanent ihrer Veränderungsbedürftigkeit nachspüren muss. Mit dieser kreativen Unruhe und Beweglichkeit hat er das Fundament dafür gelegt, dass sich die Ruperto Carola später im Wettbewerb der Universitäten für bisher 18 Jahre als Exzellenzuniversität erfolgreich platzieren konnte. Im Nachhinein erkennbar weitsichtig verabschiedete er sich 1997 mit der Aufforderung an die Fächer, in ihrem Streben nach Exzellenz nicht nachzulassen.

Dies Potential der Ruperto Carola aufgeschlossen und belebt zu haben, ist wohl seine akademische Leistung von größter Bedeutung, noch gewichtiger als seine herausragenden Forschungen. Heute müssen wir von Peter Ulmer, einem der großen Rektoren der Ruperto Carola, dankbar Abschied nehmen.

Meiner Familie und mir haben er und Jorinde Ulmer, seine unvergessene Frau, viel Gutes getan. Als Rektor und als Altrektor mit ungebrochenem Forscherdrang war und ist er mir Vorbild. Auch ich werde Peter Ulmer in dankbarer Erinnerung behalten.

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Dr. Dr. h.c. mult., Prof. em., Altrektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (2001–2007).

 
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