R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
 
 
Habersack, ZHR 189 (2025), Heft 02-03, Beilage, 15-17
Habersack 

Gedenkworte

Mathias Habersack*

Honorabilis, Spektabilität,

liebe Frau Nast-Kolb, liebe Familie Ulmer,

liebe Weggefährtinnen und Weggefährten von Peter Ulmer,

meine erste Begegnung mit Peter Ulmer liegt nun ziemlich genau 41 Jahre zurück. Ich war 1983 – in meinem 6. Semester – nach Heidelberg gewechselt, und schon die ersten Stunden der Vorlesung und des Seminars zum Gesellschaftsrecht hatten sogleich meine Begeisterung für Person und Unterrichtsfach geweckt. Ursächlich hierfür war auch die Ulmer'sche Lehrmethode, die bei allem wissenschaftlichen Fundament und größtmöglicher Systematik und Ordnung den Praxisbezug des jeweiligen Lehrstoffes aufzuzeigen vermochte. Dabei hat Peter Ulmer seinen Hörern immer das Gefühl vermittelt, selbst auf der Suche nach der richtigen Lösung und interessiert am Austausch mit den Studierenden zu sein. Einheit von Forschung und Lehre – wir Hörer bekamen einen Eindruck davon, was diese Formel besagen sollte.

Peter Ulmer galt seinerzeit und gilt noch heute zu Recht als einer der führenden Gesellschaftsrechtler. Dabei weisen ihn seine beiden Qualifikationsschriften als Wirtschaftsrechtler aus; Dekan Piekenbrock hat bereits darauf hingewiesen. Während die Dissertation einem Thema des europäischen Kartellrechts gewidmet ist, vermisst die Habilitationsschrift das seinerzeit noch gänzlich unerforschte Recht des Vertragshändlers, mithin eines Absatzmittlers, der zwar im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt, anders als ein gewöhnlicher Verkäufer aber in das Unternehmen des Produktherstellers eingegliedert ist. Die Habilitationsschrift hat Neuland betreten und nicht nur das Recht des Vertragshändlers, sondern das Vertriebsrecht in seiner Gesamtheit nachhaltig beeinflusst.

Bis in die 90er Jahre hinein hat sich Peter Ulmer zwar immer wieder auch wettbewerbs- und kartellrechtlichen Themen gewidmet. Seine große Leidenschaft aber galt seit den 70er Jahren dem Gesellschaftsrecht. Dies ist durchaus bemerkenswert, entspricht es doch der durchaus üblichen Praxis des Wissenschaftlers, sein weiteres Wirken auf das durch die Habilitationsschrift erschlossene Rechtsgebiet zu konzentrieren. Auf meine Frage, warum er sich mehr oder weniger vom Wirtschaftsrecht abgewendet habe, hat Ulmer – es muss Anfang der 90er Jahre gewesen sein – darauf verwiesen, dass er sich mit seinen Überlegungen zum Leistungswettbewerb nicht durchgesetzt und deshalb ein wenig die Lust an diesem Rechtsgebiet verloren habe.

ZHR 189 (2025), Heft 02-03, Beilage S. 15 (16)

Im Gesellschaftsrecht sind es vor allem die erstmals in den siebziger und frühen achtziger Jahren vorgelegten großen Kommentierungen zum Recht der OHG im Staub'schen Großkommentar zum HGB, zum GmbH-Recht im Hachenburg'schen Großkommentar zum GmbHG und zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Münchener Kommentar zum BGB. Diese – jeweils durch eine große Zahl grundlegender Zeitschriften- und Festschriftenbeiträge begleiteten – Kommentierungen waren und sind von erheblichem Einfluss auf die Entwicklung dieser Rechtsgebiete gewesen und werden heute zu wesentlichen Teilen durch seine Schüler fortgeführt.

Dasselbe gilt für zwei weitere Standardkommentare, mit denen sich Peter Ulmer in den späten 70er Jahren damals mehr oder weniger neuen Rechtsgebieten angenommen hatte, nämlich die Kommentare zum AGB-Gesetz und zum Mitbestimmungsgesetz, mithin zu zwei Gesetzen, die jeweils nach langem rechtspolitischem Ringen von der sozial-liberalen Koalition verabschiedet worden waren und auf deren Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre die Ulmer'schen Kommentierungen von allergrößtem Einfluss waren.

Peter Ulmers Arbeits- und Forschungsstil lässt sich, wie ich an anderer Stelle näher dargelegt habe,1 auf die Staub'sche Kurzformel “wissenschaftlich und praktisch” zurückführen, und so ist es denn auch nicht verwunderlich, dass der heute vielfach und zu Recht gerühmte, im internationalen Vergleich fast einzigartige Dialog zwischen Rechtswissenschaft und höchstrichterlicher Rechtsprechung ganz wesentlich und auf vielfältige Weise durch Ulmer gefördert worden ist, namentlich durch Begründung der Tradition des zweijährlich stattfindenden Symposiums der von ihm als langjähriges Mitglied der Schriftleitung (1976–2005) entscheidend geprägten ZHR.

Für seine Mitarbeiter fand dieser Dialog sichtbaren Ausdruck in der Hinzuziehung insbesondere von Wolfgang Schilling und Walter Stimpel zu den studentischen Seminaren sowie weiterer Praktiker zu dem legendären “Privatseminar”. Es wurde von Ulmer von Fall zu Fall einberufen und tagte regelmäßig auf dem Neuenheimer Neckarhang. In ihm durften Dissertationsvorhaben zur Diskussion gestellt werden; bisweilen bildete aber auch ein aktuelles Forschungsprojekt Ulmers den Gegenstand der durch Butterbrezeln und Badischen Weißwein beflügelten Diskussion.

Das “Privatseminar” haben zahlreiche Doktorandinnen und Doktoranden durchlaufen und hierdurch die Grundlage für eine erfolgreiche Promotion gelegt. Zur Habilitation hat Ulmer drei Schüler geführt, nämlich Carsten Schäfer, Matthias Casper und einige Jahre zuvor – 1995 – mich. Bereits zuvor hatte Ulmer einigen seiner promovierten Schüler die Habilitation angeboten. Dass diese den Verlockungen der Praxis gefolgt sind, dürfte auf die Unsicherheiten, die das Wagnis einer Habilitation mit sich bringt, aber auch auf das Gefühl zurückzuführen sein, der Strapazen, die mit einer mit hohem oder höch-ZHR 189 (2025), Heft 02-03, Beilage S. 15 (17)stem Prädikat bewerteten Dissertation (zumal als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls) verbunden sind, seien es genug gewesen.

Wie auch immer: Die drei habilitierten Schüler und sämtliche Doktorandinnen und Doktoranden, darunter nicht wenige zu Honorarprofessoren Berufene, sind stolz darauf, Ulmer-Schüler zu sein, und verstehen sich durchweg als Mitglieder einer akademischen Familie. Sichtbaren Ausdruck fand dieses Phänomen in den drei Schüler-Symposien, zu denen Peter Ulmer aus Anlass seines 65., 70. und 75. Geburtstages eingeladen hat und auf denen – neben dem geselligen Beisammensein – die Wissenschaft vom Gesellschaftsrecht gepflegt wurde, und zwar nicht im Rückblick auf bereits Geleistetes, sondern stets nach vorne gerichtet und offene Fragen thematisierend.

Wir Schüler waren und sind immer bestrebt, den hohen Anforderungen, die Ulmer an sein eigenes Wirken und das Wirken anderer stellt, einigermaßen zu genúgen. Ich denke, dass es nicht nur mir so geht: Peter Ulmer bildet für mich eine Art Kompass, eine Instanz, an der ich mein eigenes Wirken und Verhalten messe – daran wird sich auch künftig nichts ändern. Dabei beschleicht mich leider allzu oft das Gefühl, seinen Maßstäben nicht gerecht zu werden. Es mag trösten, dass schon Max Hachenburg in seinem Nachruf auf Hermann Staub geschrieben hat: “Nur der Meister selbst schafft das Meisterwerk und die andern sind seine Schüler.”2

Wie dem auch sei: Peter Ulmer hat uns Schüler nicht nur in fachlicher, sondern auch in persönlicher Hinsicht geprägt und unsere Entwicklung, als alle Prüfungen gemeistert waren, mit väterlichem Interesse und Wohlwollen verfolgt. Er ist und bleibt unser Vorbild, und wir werden ihn schmerzlich vermissen.

*

Dr. iur., Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht.

1

Habersack in: Grundmann/Riesenhuber (Hrsg.), Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler, 2010, S. 127, 129 ff.

2

Hachenburg, Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempelfragen 13 (1904) 237, 238.

 
stats