Gedenkworte
Jochem Reichert*
Honorabilis, Spektabilität, liebe Frau Nast-Kolb,
liebe Familie Ulmer,
sehr geehrte Damen und Herren,
Peter Ulmer wurde bereits von zwei seiner Schüler gewürdigt, zum einen als Wissenschaftler, zum anderen als Lehrer. Mir kommt es zu, daran zu erinnern, dass Peter Ulmer auch in der praktischen Rechtsanwendung eine große Rolle spielte. Mathias Habersack hat zu Recht betont, dass sich Peter Ulmers Arbeits- und Forschungsstil auf die Staub'sche Kurzformel “wissenschaftlich und praktisch” zurückführen lasse. Zugleich hat er auf seine Verdienste um den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis hingewiesen. Peter Ulmer hat den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis nicht nur gefördert; er hat vorgelebt, wie sich Wissenschaft und Praxis gegenseitig befruchten. In seinen Seminaren fanden Begegnungen zwischen Wissenschaft und Praxis statt; das Zusammenwirken mit Wolfgang Schilling und Walter Stimpel wurde bereits erwähnt. Gleiches gilt für seine Doktorandenseminare, an denen ehemalige, mittlerweile als Rechtsanwälte, Richter oder Syndici arbeitende Schüler teilnahmen. Im Rahmen meist intensiver Diskussionen wurden auch Umsetzung und Praxistauglichkeit der vorgetragenen Thesen verprobt.
Als Wissenschaftler hat Peter Ulmer seine Auffassungen mit höchster Sorgfalt entwickelt und die Problemlagen messerscharf analysiert. Es ist ihm stets gelungen, sie in klarer und verständlicher Sprache nachvollziehbar und überzeugend zu formulieren. Es lag ihm daran, Lösungen zu erarbeiten, die in der Praxis umsetzbar waren und zu angemessenen Ergebnissen führten. Dieses Anliegen und die beschriebenen besonderen Fähigkeiten prädestinierten ihn, auch selbst in die Praxis hineinzuwirken. So fand er nicht nur in der Wissenschaft Anerkennung als einer der bedeutendsten Gesellschaftsrechtler; er war auch in der Praxis ein hoch geschätzter Berater, Gutachter und Schiedsrichter. Bekannte und angesehene Unternehmen und Unternehmer nahmen seinen Rat bei der Gestaltung ihrer Verträge in Anspruch. Hoch geschätzt waren seine Gutachten zu wirtschaftsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus war er ein anerkannter und nachgefragter Schiedsrichter, der an z.T. sehr prominenten Schiedsverfahren mitwirkte und sie zu einer Entscheidung oder häufig auch zu einem befriedenden Vergleich führte. Aus seiner praktischen Tätigkeit gewann Peter Ulmer stets Einsichten und Er-
Angesichts dessen kam es nicht überraschend, dass Peter Ulmer einige Zeit nach seiner Emeritierung eine neue, gewissermaßen zweite Heimat, in der Rechtspraxis fand. Ebenso wenig konnte überraschen, dass er dazu die Kanzlei Schilling, Zutt & Anschütz wählte. Zu der lange Jahre von ihrem Senior Sozius Wolfgang Schilling geprägten Kanzlei bestand schon zuvor eine Beziehung. Wolfgang Schilling war Peter Ulmer fachlich und freundschaftlich verbunden. Aber auch nach dessen Tod im Jahre 1992 blieb eine besondere Verbindung zu Schilling, Zutt & Anschütz erhalten. Einige seiner Schüler und Doktoranden hatten – meist auf seine Empfehlung hin – den Weg zu Schilling, Zutt & Anschütz gefunden und dort ihren Berufsweg als Rechtsanwälte begonnen. Auch organisatorisch blieb einiges beim Alten, denn Ute Ripperger, seine langjährige Sekretärin, wechselte zu Schilling, Zutt & Anschütz. In der Tat, eine zweite Heimat.
Peter Ulmer bekannte sich zu Schilling, Zutt & Anschütz und erwarb mit Beginn seiner Tätigkeit als Of Counsel im Jahre 2002 die Zulassung als Rechtsanwalt. Er setzte sein Wirken als Gutachter, als Schiedsrichter, aber auch als gestaltender Berater fort. Aber es war nicht nur sein Wirken nach außen, das für uns von hoher Bedeutung war, sondern auch gerade sein Wirken nach innen. Er war die Instanz in unserer Kanzlei für schwierige, insbesondere gesellschaftsrechtliche Fragestellungen. Er war auch allen jungen Anwälten gegenüber offen, ihnen als Ratgeber freundlich zugetan. Naturgemäß setzte er voraus, dass die Fälle, zu denen er konsultiert wurde, ordnungsgemäß vor- und aufbereitet waren. Die Akribie, mit der er seine Tätigkeit entfaltete, galt auch der Sachverhaltsaufklärung, auf die er größten Wert legte. Auch erwartete er naturgemäß, dass man sich schon einmal mit den relevanten Rechtsfragen befasst hatte, ehe man ihn konsultierte. Hielt man diese Vorgaben ein, war es ein großer Gewinn, Rückhalt für die eigenen Thesen durch Peter Ulmer zu erlangen, ggf. mit seiner Unterstützung neue Argumentationsansätze zu gewinnen oder auch entsprechende Warnsignale zu erhalten, wenn er den eingeschlagenen Weg für nicht zielführend hielt. Diese regelmäßigen internen Konsultationen gaben uns allen enorme Sicherheit. Und wenn man dann gemeinsam nach außen auftrat, empfand man einen starken Rückhalt. Seine Überzeugungskraft, seine Fähigkeit, auch komplexe Überlegungen klar und verständlich zum Ausdruck zu bringen, aber auch seine natürliche Autorität und sein Durchsetzungsvermögen waren Stärken, von denen alle profitierten, die Peter Ulmer an ihrer Seite wussten.
Auch als Mitglied unserer Gemeinschaft hat Peter Ulmer den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis weiter gefördert. Davon zeugen u. a. zahlreiche von ihm maßgeblich gestaltete Symposien der Schilling-Stiftung zum Gedenken an Wolfgang Schilling.
Ein weiterer Aspekt: Peter Ulmer unterstützte uns nicht nur als hoch geschätzter Gesellschaftsrechtler. Er war auch ein strategischer Ratgeber, der Schilling, Zutt & Anschütz bei der Wiederverselbstständigung nach der Trennung von Shearman & Sterling im Jahre 2008 zur Seite stand und fast zehn Jahre dem Aufsichtsrat unserer nunmehr als AG organisierten Kanzlei als dessen Vorsitzender angehörte. Ab diesem Zeitpunkt gab es keine Ernennung von Partnerinnen und Partnern, die nicht mit Peter Ulmer besprochen und abgestimmt wurde. Bevor der Aufsichtsrat unter seiner Leitung entschied, hat sich Peter Ulmer nicht nur anhand der Papierlage, sondern aufgrund eines ausführlichen persönlichen Gesprächs von der Qualifikation der oder des Vorgeschlagenen überzeugt. Vergleichbaren Einfluss hatte er auch auf andere wesentliche Weichenstellungen unserer Sozietät. Die Ausübung seines Amtes als Aufsichtsratsvorsitzender folgte schon damals dem heute herrschenden Ansatz, nicht nur zu kontrollieren, sondern ein maßgeblicher Berater bei strategischen Entscheidungen zu sein.
Peter Ulmer war unangefochten die höchste Instanz bei Schilling, Zutt & Anschütz. Er hat den Ausbau unserer Sozietät nachhaltig beeinflusst. Wir sind ihm für all dies von ganzem Herzen dankbar.
Diesem allgemeinen Dank möchte ich einen mich persönlich betreffenden anfügen. Er hat mich zum einen vor, während, aber auch nach meiner Promotion in besonderer Weise gefördert. Zum anderen hat er in langen Gesprächen auf mich eingewirkt, entgegen meiner zunächst bestehenden Zweifel meine Tätigkeit als Anwalt bei Schilling, Zutt & Anschütz zu beginnen. Das habe ich nie bereut. Ich bin ihm für seinen wohlmeinenden Rat zutiefst dankbar. Er bleibt unvergessen.
* | Dr., Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz an den Standorten Mannheim und Frankfurt, Honorarprofessor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. |