Nur scheinbare Entlastung bei Lieferkettenpflichten durch Bundesregierung?
Das Gegenteil von “gut gemacht” ist “gut gemeint”: Die in Aussicht gestellten LkSG-Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen bleiben weit hinter den Ankündigungen zurück.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) war seit seiner Genese vielfach Kritik ausgesetzt. Die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Pflichten für deutsche Unternehmen wurden dabei oft wegen drohender Überlastung und als Wettbewerbsnachteil kritisiert.
Nach dem LkSG müssen unmittelbar erfasste, große deutsche Unternehmen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer globalen Lieferkette umsetzen. Bei Verstößen drohen sehr hohe, umsatzbezogene Bußgelder. Zudem sind auch kleinere Unternehmen mittelbar betroffen, da ihre großen Kunden sie vielfach vertraglich zur Mitwirkung verpflichten.
Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag die Abschaffung des LkSG an. Sie legte nun am 3.9.2025 – sehr kurzfristig nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 29.8.2025 – einen Gesetzesentwurf vor, der die administrativen Lasten für Unternehmen reduzieren soll. Zudem wies das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) am 26.9.2025 in Abstimmung mit dem BMAS das für die Kontrolle des LkSG zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) an, bei der Anwendung des LkSG “zurückhaltend und unternehmensfreundlich” zu agieren. Hierfür solle das BAFA die gesetzlichen Änderungsvorschläge bereits jetzt auf behördlicher Ebene umsetzen – das BAFA wiederum hat am 1.10.2025 angekündigt, dies auch so zu handhaben. Bei genauerem Blick auf die Änderungsvorschläge stellt sich dabei die Frage, ob Unternehmen tatsächlich spürbare Entlastungen zugutekommen werden oder die Bundesregierung die Unternehmen nicht vielmehr “im Regen” stehen lässt.
Kern der Änderungsvorschläge ist die rückwirkende Abschaffung der Berichtspflicht nach dem LkSG. Der Wegfall der Berichtspflicht dürfte Unternehmen in der Praxis, gerade in Konzernstrukturen, sogar deutlich stärker entlasten als die rund EUR 800, welche die Bundesregierung pro Bericht ansetzt. Es bleibt jedoch auch ohne Berichtspflicht bei der umfassenden Dokumentationspflicht des LkSG samt Aufbewahrungspflicht von sieben Jahren. Zudem beschloss die Bundesregierung die Umsetzung der europäischen Vorgaben der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die CSRD und somit die Einführung von Nachhaltigkeitsberichten an anderer Stelle. Es entfällt damit ein gewisser dokumentarischer Koordinierungsaufwand, die wesentliche Datenerfassungs- und Dokumentationspflicht bleibt jedoch.
Die übrigen Änderungsvorschläge der Bundesregierung bestätigen die bestehenden Sorgfaltspflichten im Wesentlichen. Zwar verkürzt die Bundesregierung den Bußgeldkatalog des LkSG auf “schwere Verstöße”. Das sollen verspätete oder fehlende Präventions- und Abhilfemaßnahmen bei menschenrechtlichen Risiken sowie das Fehlen eines Beschwerdeverfahrens sein. Diese Änderungsvorschläge dürften jedoch kaum entlastende Wirkung entfalten. So bleibt es für Unternehmen und ihre Organe durch die Legalitätspflicht dabei, dass Unternehmen sich rechtskonform verhalten, mithin alle gesetzlichen Vorgaben des LkSG einzuhalten haben. Die Änderungsvorschläge und die begleitendende Kommunikation über Entlastungen sowie behördliche Zurückhaltung könnten kulturelle Diskussionen in Unternehmen über die Legalitätspflicht in Abgrenzung zu einer reinen Sanktionsvermeidungsstrategie entfachen.
Jedenfalls bleibt es bei fehlenden Abhilfemaßnahmen bei hohen, umsatzbezogenen Bußgeldrisiken. Zudem gelten die übrigen Sorgfaltspflichten des LkSG, wie insbesondere die aufwändige Risikoanalyse, als Grundvoraussetzung für die Vermeidung der weiterhin sanktionierbaren Verstöße mittelbar sanktionsrelevant. Schließlich wird das Aussetzen der Sanktionen im LkSG in Bezug auf Umweltbelange an anderer Stelle, nämlich durch die noch in deutsches Recht umzusetzende EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (RL (EU) 2024/1203), mehr als “kompensiert”. Dort sind gerade für Umweltverstöße deutliche Verschärfungen der Sanktionen vorgesehen, u. a. durch Ausdehnung der Strafbarkeitsschwellen auf bloße Gefährdungstatbestände.
Im Ergebnis bleibt es für Unternehmen daher bei hohen Anforderungen an ihre Lieferketten. Die durch die Bundesregierung in Aussicht gestellten Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen bleiben weit hinter den Ankündigungen zurück. Sie dürften sich für die eigentlich geplante und intendierte Entbürokratisierung nur als beschränkt effektiv erweisen.
Dr. Marc Ruttloff, RA, Partner bei Gleiss Lutz an den Standorten Stuttgart und Berlin. Er berät in den Bereichen Regulatory, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Regulierte Industrien. Schwerpunkte: Beratung zu Fragen der ESG-Compliance sowie der Product Compliance. Er leitet die Praxisgruppe Öffentliches Recht und ist Co-Head der ESG-Praxis und des Product Compliance Hubs bei Gleiss Lutz.
Prof. Dr. Eric Wagner, RA, Partner bei Gleiss Lutz am Standort Stuttgart. Er berät in den Bereichen Commercial, Disputes und neue Technologien. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind insbesondere Fragen der ESG-Compliance sowie der Produkthaftung und -Compliance. Er ist Co-Head des Bereichs “Regulatory & Litigation”, der ESG-Praxis und des Product Compliance Hubs bei Gleiss Lutz. 2021 hat ihn die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zum Honorarprofessor ernannt.