Dr. Justus Jansen/Birgit Wöhren, LL.M.: Teil-Aufhebung des Iran Embargos – Ende der Eiszeit, aber noch eine Schlitterpartie
Die Nachricht kam nicht überraschend und hatte sich in den letzten Monaten bereits angekündigt: Die Sanktionen gegen den Iran wurden zu einem Großteil aufgehoben, und es eröffnen sich damit vielfältige Geschäftschancen. Schenkt man der Presse Glauben, so hat der Iran in den vergangenen Tagen seit dem 16.1.2016 (Implementation Day) bereits umfangreiche Verträge mit europäischen Unternehmen abgeschlossen. Allein mit italienischen Unternehmen sollen Verträge mit einem Volumen von mehr als 18 Mrd. Euro geschlossen worden sein. Der Iran ist wieder „hoffähig“, und der iranische Präsident Rohani wird vom Papst im Vatikan empfangen. Dies sind vielversprechende Zeichen in der aktuell unruhigen politischen Weltlage.
Auch deutsche Unternehmen sind aktiv und viele bereits vor Ort in Teheran. Siemens verhandelt mehrere Großaufträge im Eisenbahnwesen. Daimler knüpft an alte Beziehungen an und möchte im Iran wieder Nutzfahrzeuge produzieren. Und eine ganze Flugflotte wurde bei Airbus bestellt. Neben den Großkonzernen steht aber auch der deutsche Mittelstand bereits in den Startlöchern. So berichtet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), dass er seine Mitglieder seit Monaten auf die sich nach Aufhebung des Iran-Embargos ergebenden Themen vorbereitet.
Bei all dieser Euphorie und den berechtigten Hoffnungen müssen dennoch eine Reihe rechtlicher Fallstricke berücksichtigt werden. So mag beispielsweise vielen Unternehmensvertretern und Kollegen noch nicht bekannt sein, dass der US-Kongress erst kürzlich, nämlich am 18.12.2015, neue Vorschriften verabschiedet hat, die es zukünftig notwendig machen, dass Reisende aus Deutschland und einer Reihe anderer Staaten nur noch mit einem Visum in die USA einreisen dürfen, wenn sie sich zuvor (seit 2011) zeitweise im Iran, in Syrien, im Irak oder im Sudan aufgehalten haben. Die kurzentschlossene Reise nach Teheran nach dem Fall der Sanktionen wird also zum Bumerang für zukünftige Geschäftsreisen in die USA. Business-Trips in die USA werden sicherlich weiterhin möglich sein, das USA-Geschäft wird in der Praxis jedoch erschwert.
Wesentlich bedeutender ist allerdings, dass auch zukünftig weiterhin eine Vielzahl von Sondervorschriften des Außenwirtschaftsrechts bei Geschäften mit Iranbezug zu beachten sind. So bleiben beispielsweise für einige iranische Banken die Sanktionen bestehen und es ist weiterhin nicht möglich, Transaktionen über diese Banken abzuwickeln. Ferner bleibt nicht nur das europäische Waffenembargo bestehen, sondern auch die europäischen Sanktionen gegen den Iran wegen Menschenrechtsverletzungen. Dies bedeutet, dass man auch zukünftig Waren und Güter, die zur internen Repression genutzt werden können, nicht in den Iran liefern darf (hierunter fallen z. B. auch bestimmte Software- oder Überwachungssysteme). Zudem bleibt die europäische Dual-Use-Verordnung anwendbar, so dass für die Lieferung von Dual-Use-Gütern weiterhin eine Genehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingeholt werden muss.
Neben den verbleibenden europäischen Sanktionen, die sicherlich nur noch Teilbereiche des Wirtschaftsverkehrs betreffen, ist zu berücksichtigen, dass die Vereinigten Staaten ihre sog. Primary Sanctions nicht aufgehoben haben. US-amerikanische Unternehmen unterliegen weiterhin in vollem Umfang dem amerikanischen Iran-Embargo. Dies wirkt sich auch auf das Irangeschäft europäischer Tochtergesellschaften von US-amerikanischen Konzernmüttern aus. Die USA haben jedoch ihre sog. Secondary Sanctions weitgehend aufgehoben. Dies erlaubt es europäischen Unternehmen grundsätzlich, nunmehr auch nach US-amerikanischem Recht Handel mit dem Iran zu treiben. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die USA die Secondary Sanctions für Personen und Unternehmen bestehen lassen, die sich auf der sog. SDN-Liste (Specially Designated Nationals List) befinden. Hierzu gehören insbesondere die Mitglieder von Wächterrat und Revolutionsgarde. Man sollte wissen, dass der Personenkreis, der dem Wächterrat und der Revolutionsgarde angehört, einen erheblichen Teil der iranischen Unternehmen kontrolliert. Europäische Unternehmen sollten daher ihre Geschäftspartner genau überprüfen.
Last but not least ist in jedem Vertrag mit Iran-Bezug die weiterhin unsichere politische Lage zu berücksichtigen. Die Vereinbarungen zur Aufhebung der Iran-Sanktionen sehen einen sogenannten Snap-Back-Mechanismus vor, wonach die Sanktionen automatisch wieder aufleben, wenn der Iran seinen Verpflichtungen und Auflagen nicht nachkommt. Dies sollte durch geeignete Sicherungsmechanismen im Vertrag abgebildet werden. Es bleibt also auch zukünftig ein schwieriges Geschäft, wobei viele neue Türen geöffnet wurden. Um diese Wege sicher zu beschreiten, sind die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
Dr. Justus Jansen, Rechtsanwalt, ist Partner bei GSK Stockmann + Kollegen und leitet dort die Dispute Resolution Praxis. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bereich des internationalen Schiedsverfahrens- und Vertragsrechts. Er ist zudem Experte im Embargo-Recht und begleitet seit langer Zeit Mandate mit Iran-Bezug.
Birgit Wöhren, LL.M. (New York), Rechtsanwältin, ist Local Partnerin bei GSK Stockmann + Kollegen. Sie berät Unternehmen beim Eintritt in neue Märkte sowie streitige Auseinandersetzungen im internationalen Geschäftsverkehr als Mitglied der Dispute Resolution Praxis von GSK Stockmann + Kollegen.