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ZFWG 2016, 385
Dietlein 

Schafft endlich Klarheit!

Abbildung 1

Es ist schon bemerkenswert: So medienwirksam wie das hessische Aufbegehren gegen den bestehenden Glücksspielstaatsvertrag in den vergangenen Monaten inszeniert worden war, so sang und klanglos fand es sein – zumindest vorläufiges – Ende bei der Rostocker MPK Ende Oktober. Nahezu geräuschlos verkündeten die Ministerpräsidenten die Verständigung auf einen Kompromiss, wobei die Betonung eher bei dem Wort „Kompromiss“ und weniger bei dem Wort „verständigen“ liegen dürfte. Vieles bleibt offen und alle dürfen hoffen. Nichtkontingentierter Zugang zum Sportwettenmarkt als Übergangs- oder Dauerlösung? Online-Casinos ja oder nein? Anstalt oder Glücksspielkollegium? Staatsvertrag mit Hessen oder ohne? Der Vorhang zu und alle Fragen offen! Politik, so das berühmte Bonmot Bismarcks, ist eben die „Kunst des Möglichen“.

Immerhin gibt es auch Festlegungen: Die Begrenzung der Zahl der Konzessionen wird für die Experimentierphase fallen. Entscheidungen des Glücksspielkollegiums unterliegen einem Vetorecht des für den Sachbereich nach außen zentral zuständigen Landes. Und nicht zuletzt gewährt der Vertrag dem Land Hessen ein konditioniertes Sonderkündigungsrecht zum Ende des Jahres 2019. Prima facie klingt dies nach jener „minimalinvasiven Lösung“, die von den Ministerpräsidenten vor Monaten angekündigt worden war. Aber auch minimalinvasive Eingriffe haben ihre Risiken. Und diese sollten nicht unterschätzt werden. So schlagen die Länder mit dem Verzicht auf eine Kontingentierung der Sportwettanbieter einen Weg ein, für den das BVerfG noch im Jahre 2006 die Prognose einer erheblichen Ausweitung von Wettangeboten und einer Zunahme von problematischem und suchtbeeinflusstem Verhalten bestätigt hatte. Gewiss soll die Marktöffnung zunächst nur für die Dauer der Experimentierphase gelten. Wer indes die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte Revue passieren lässt, der weiß um die Bedeutung des alten Sprichworts „They never come back“! Und dann ist da noch das Vetorecht der Ausführungsländer im Glücksspielkollegium: Bei Licht besehen bedeutet diese Neuregelung wohl nicht weniger, als dass das Glücksspielkollegium auf den Status eines bloßen Beratungsorgans zurückgestutzt wird. Denn welchen Wert soll die formale Bindungswirkung der dortigen Beschlüsse noch haben, wenn das zu bindende Ausführungsland die Beschlussfassung im Alleingang verhindern kann? Den Kritikern des Glücksspielkollegiums ist man damit weit entgegen gekommen. Vielleicht zu weit? Lange wird es gewiss nicht dauern, bis auch über die föderale Zulässigkeit derartiger „Sonderrechte“ gestritten wird. Und hoffentlich ist man auf diese Diskussion dann besser vorbereitet als auf jene um die Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen im Glücksspielkollegium.

Freilich muten diese Gesetzesanpassungen fast schon marginal an gegenüber der neu eröffneten „Großbaustelle“ im Bereich der Online-Casinospiele. Denn spätestens hier geht es um die Systemfrage. Der Dauerstreit um die grundsätzliche Ausrichtung der glücksspielrechtlichen Regulierung ist also keineswegs vom Tisch. Keine gute Voraussetzung für einen verlässlichen Vollzug des geltenden Rechtsrahmens. Und sicher wird sich der ein oder andere im Stillen die Frage stellen, ob die Länder noch zu einer kraftvollen Regulierung imstande sind. Ausstiegsdrohungen nach dem hessischen Muster jedenfalls nähren Zweifel. Hat man dort wirklich nicht verstanden, dass die Länder ihre Regulierungshoheit über das Glücksspiel rechtlich und tatsächlich nur solange werden behaupten können, wie sie sich in den großen Fragen zu verständigen imstande sind. Das Szenario eines „hessischen Sonderweges“ jedenfalls ist nichts anderes als eine Schimäre, die sich im Angesicht der Realitäten des bundesstaatlichen und unionsrechtlichen Gefüges in Luft auflöst. Gewiss: Politik ist immer auch die Kunst des Möglichen – und die politische Drohung mag bisweilen dazugehören; das hat Hessen in den vergangenen Monaten kraftvoll demonstriert. Gewöhnen sollte sich die Landespolitik in Hessen an diese Masche allerdings nicht. Denn der Kredit in Sachen „Glücksspiel“ ist weitgehend aufgebraucht. Schafft endlich Klarheit, möchte man den Ländern zurufen.

Univ.-Prof. Dr. iur. Johannes Dietlein, Düsseldorf

 
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