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RIW 2025, I
Löw 

Gender Diversity on the Board –EU-Richtlinie in Kraft

Abbildung 1

Der Autor
Ist Rechtsanwalt und leitet als Senior Counsel
gemeinsam mit Nils Grunicke den Fachbereich
Financial Services Employment Law innerhalb
der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper UK LLP.
Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der arbeitsrecht-
lichen Beratung von Finanzinstituten, auch an
den Schnittstellen zu Aufsichtsrecht und Datenschutz.

Diversity on the Board ist nicht nur eine gesellschaftspolitische Verpflichtung, sondern ein Gebot der klugen Utnernehmensführung.

Es ist nachgewiesen, dass sich eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern positiv auf das Betriebsklima wie auf die wirtschaftlichen Ergebnisse auswirkt. Und obwohl die bestehenden Rechtsvorschriften der EU Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbieten, sind in der gesamten Union immer noch erheblich mehr Männer als Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten vertreten.

Das hat die EU herausgefordert. Nach Art. 3 des Grundlagenvertrages hat die Union die Aufgabe, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Damit beschäftigt sich die Richtlinie (EU) 2022/2381 zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen vom November 2022. Die Umsetzungsfrist für die nationalen Gesetzgeber ist am 28. 12. 2024 abgelaufen, so dass spätestens ab Beginn dieses Jahres die neuen Regeln Anwendung finden. Sie sehen folgendes vor:

In allen börsennotierten Unternehmen mit Ausnahme der KMUs muss bis zum 30. 6. 2026 mindestens eine der folgenden Zielvorgaben erfüllt sein:

  • das unterrepräsentierte Geschlecht stellt mindestens 40 % der nicht geschäftsführenden Direktoren

  • das unterrepräsentierte Geschlecht stellt mindestens 33 % aller Direktoren, wozu die Posten der geschäftsführenden und der nicht geschäftsführenden Direktoren zählen.

Sofern eine Gesellschaft die 2. Variante wählt, muss sichergestellt werden, dass individuelle quantitative Zielvorgaben zur Verbesserung der ausgewogenen Vertretung der Geschlechter unter den geschäftsführenden Direktoren festgelegt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sind nachfolgende Verfahrensvorschriften zu beachten:

  • Kandidaten für die Direktorenstellen sind auf der Grundlage eines Vergleichs auszuwählen.

  • Auswahlkriterien müssen vor Beginn des Verfahrens festgelegt werden. Sie müssen klar, neutral formuliert und eindeutig sein.

  • Grundsätzlich soll bei gleicher Eignung, Befähigung und beruflicher Leistung dem Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts der Vorrang eingeräumt werden.

Diese Anforderungen kann ein Mitgliedstaat aussetzen, wenn das nationale Rechts des Mitgliedstaates vorschreibt, dass das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens 30 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder mindestens 25 % aller Direktoren in börsennotierten Gesellschaften stellt und gleichzeitig vorschreibt, dass alle börsennotierten Gesellschaften, die nicht unter dieses nationale Recht fallen, individuelle qualitative Zielvorgaben für alle Direktorenstellen festlegen. Außerdem müssen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Durchsetzungsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Anforderungen vorgesehen sein. In diesem Fall gelten auch die Zielvorgaben der Richtlinie als erfüllt.

Das ist eine bemerkenswerte Regelungstechnik, weil sie Mitgliedstaaten von der Anwendung der hier definierten Quote ausnimmt, wenn eine geringere Quote gesetzlich geregelt ist. Unter diese Ausnahme fällt auch Deutschland.

Das Führungspositionengesetz (“FüPoG”) I bestimmt eine Quote von 30 % in Aufsichtsräten bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen und das FüPoG II ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau und einem Mann in einem Vorstand, der aus mehr als drei Mitgliedern besteht. Da eine Wahl von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern im Widerspruch zu diesen Vorgaben unwirksam ist, liegt auch eine wirksame Sanktion vor.

Dementsprechend hat die Bundesregierung im November 2024 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Verfahrensvorschriften der Richtlinie auszusetzen, womit auch die Quoten nach der Richtlinie als erfüllt gelten.

Der geringe Ehrgeiz der Bundesregierung ist auch im europäischen Vergleich bedauerlich. Frankreich hatte etwa bereits im Jahre 2019 einen Frauenanteil von 43 % in Vorständen und Aufsichtsräten. Spanien hat im August letzten Jahres ein Gesetz erlassen, das der Umsetzung der Richtlinie dient, jedoch einen deutlich weiteren Anwendungsbereich hat.

Es ist anerkannt, dass Entscheidungen in Unternehmen umso besser sind, je diverser das Entscheidungsgremium besetzt ist. Daher ist Diversity on the Board nicht nur eine gesellschaftspolitische Verpflichtung, sondern ein Gebot der klugen Unternehmensführung. Noch wichtiger als eine gesetzliche Quote ist auf dem Weg dorthin aber ein geänderter Mindset. Im internationalen Vergleich liegt Großbritannien an der Spitze, ganz ohne gesetzliche Quote. Umfassende Berichtspflichten zum Frauenanteil in der Führung haben zu einem starken öffentlichen Druck auf Unternehmen geführt. Auch die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind dort, jedenfalls in der City, deutlich besser als hierzulande.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Jedenfalls internationale Investoren legen ein großes Augenmerk auf das Thema, so dass auf eine kontinuierliche Verbesserung zu hoffen ist.

Dr. Hans-Peter Löw, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.

 
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