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RdZ 2025, 73
Conreder 

Zahlungsverkehr im Koalitionsvertrag

Wahlfreiheit nach der Wahl

Abbildung 1

Als neuer Herausgeber der RdZ gewähre ich Ihnen in meinem ersten Beitrag für die “Erste Seite” einen Einblick in mein Privatleben: Der Samstag ist bei uns in der Familie traditionell mit einem Einkauf auf dem Wochenmarkt verbunden. Doch noch bevor der Bummel startet, beginnt zu Hause häufig die hektische Suche nach Bargeld. Frische Eier, Honig vom Imker und Äpfel aus dem Alten Land lassen sich hier nur mit Cash zahlen, und dieses findet sich in unseren Portemonnaies immer weniger, da viele Einkäufe des täglichen Bedarfs inzwischen digital bezahlt werden. Allerdings kann derzeit nur an 81 % der physischen Verkaufsorte elektronisch bezahlt werden (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, April 2025, S. 93). Meinem samstäglichen Dilemma könnte nun der am 5.5.2025 von den neuen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD unterzeichnete Koalitionsvertag Einhalt gebieten. Er versucht auf über 140 Seiten, Antworten auf die großen und bedeutenden Fragen bei den internationalen Krisen, der Stärkung der Wirtschaft und der Herausforderung der Migration zu geben. Daneben geht der Koalitionsvertrag auch auf den Bereich Zahlungsverkehr ein. Im Kapitel 2.1 “Haushalt, Finanzen und Steuern” beschäftigen sich ca. 7,5 Zeilen mit diesem Thema. Davon wird insbesondere ein Satz für reichlich Diskussionen sorgen:

“Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden sollen.”

Mit dieser geplanten schrittweisen Akzeptanzpflicht für digitales Bezahlen soll zukünftig bei alltäglichen Transaktionen – etwa im Einzelhandel, in der Gastronomie oder bei Dienstleistungen – neben Bargeld mindestens eine digitale Bezahlmöglichkeit angeboten werden müssen. Von den Regierungsparteien wird dieser Vorstoß v. a. mit dem Bedürfnis nach Bezahlmöglichkeiten mit Karte & Co. in der heutigen Zeit begründet. Dieses Bedürfnis wird auch durch eine jüngste Studie der Deutschen Bundesbank bestätigt, nach der 44 % der Befragten unbare Bezahlungen bevorzugen. Nur 28 % der Befragten präferieren Barzahlungen und die restlichen 28 % der Befragten haben hinsichtlich der Zahlungsart keine Präferenz (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, April 2025, S. 100). Eine weitere Motivation zur Einführung der schrittweisen Akzeptanzpflicht von digitalen Bezahlmöglichkeiten liegt in der Bekämpfung von Steuerbetrug in bargeldintensiven Bereichen, wie bspw. in der Gastronomie. Nach Vorstellung der Regierungsparteien soll die verstärkte Möglichkeit der elektronischen Zahlungen zu höheren Steuereinnahmen führen. Von Seiten der Gastronomie und der Einzelhandelsverbände kommt reichlich Kritik an diesem Ziel des Koalitionsvertrags, sogar von einem “Konjunkturprogramm für Zahlungsdienstleister” (Binnebößel [HDE], PM vom 23.4.2025, https://einzelhandel.de/presse/aktuellemeldungen/14791-hde-sieht-geplante-akzeptanzpflicht-elektronischer-zahlungssysteme-kritisch, Abruf: 26.5.2025) ist hier teilweise die Rede. So verständlich Lobbyarbeit in diesem Bereich ist, so zeigt ein Blick in unsere europäischen Nachbarstaaten, in denen teilweise diesbezügliche gesetzliche Regelungen bereits existieren, dass eine Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr nicht zu einer wirklichen Beeinträchtigung der Gastronomie oder des Einzelhandels führt. Vor dem Hintergrund zahlreicher und kostengünstiger Möglichkeiten im heutigen Zahlungsverkehr ist die geplante schrittweise Einführung der Akzeptanzpflicht für digitales Bezahlen neben der Zahlung mit Bargeld aus meiner Sicht zu begrüßen. Einige Fragen bleiben indes noch offen, so z. B., ob von den Händlern weiterhin ein Mindestbetrag für digitales Zahlen festgelegt werden kann. Der Koalitionsvertrag liefert des Weiteren ein Bekenntnis zur Einführung des digitalen Euro (kritisch zur Einführung Sandner, RdZ 3/2023, Die Erste Seite). Nach Vorstellung der Regierungsparteien soll dieser sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel einen echten Mehrwert bringen und das Bargeld ergänzen, die Privatsphäre der Verbraucher schützen, kostenfrei für diese nutzbar sein und die Finanzstabilität nicht beeinträchtigen. Hierdurch dürften die Bedingungen, unter denen Deutschland der geplanten EU-Verordnung zum digitalen Euro (COM(2023) 369 final) zustimmen wird, skizziert sein. Darüber hinaus betont der Koalitionsvertrag, dass die Regulierung von Kryptowerten weiter auf Lücken überprüft und diese ggf. geschlossen werden sollen. Hier wäre wünschenswert, dass dies durch europäische Initiativen und nicht durch nationalstaatliche Alleingänge erfolgen würde, mit denen der durch die Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR, ABlEU vom 9.6.2023, L 150, 40) geschaffene einheitliche europäische Rahmen aufgebrochen wird. Zusammenfassend gibt der Koalitionsvertrag Anlass zur Hoffnung, dass samstägliche Marktbesuche bei uns in der Familie zukünftig stressfreier verlaufen werden, wenn Eier, Honig & Co mit Karte oder sogar digitalem Euro bezahlt werden können.

Dr. Christian Conreder ist Partner bei der Rödl GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft am Standort Hamburg und leitet die Praxisgruppe Banking & Finance.

 
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