Wettbewerb im Eisenbahnverkehr – Bilanz und Maßnahmen zur Verbesserung
von Prof. Klaus-Dieter Scheurle*
Der Bundesregierung geht es darum, Mobilität zu ermöglichen und nicht zu behindern.
Bei Beachtung der Umwelt- und Klimaschutzziele brauchen wir dazu wirtschaftlich starke und erfolgreiche Eisenbahnunternehmen, um mehr Verkehre auf die Schiene zu verlagern. Dabei ist Aufgabe des Staates, eine leistungsfähige Schieneninfrastruktur zu garantieren und für faire Wettbewerbsregeln sorgen. Dies sind Eckpunkte unserer Eisenbahnpolitik.
Wichtigste Voraussetzung für Wettbewerb auf der Schiene ist der diskriminierungsfreie Zugang zur Infrastruktur. Seit der Bahnstrukturreform 1994 räumt das deutsche Recht Zugangsrechte zum deutschen Eisenbahnnetz für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz im Inland ein. Die vollständige Netzöffnung für den Güterverkehr innerhalb der EU folgte zum 1. Januar 2007.
Seit dem 1. Januar 2010 besteht Zugang für alle in der EU zugelassenen Eisenbahnunternehmen im grenzüberschreitenden Personenverkehr, einschließlich des Rechts, Fahrgäste an Zwischenhalten aufzunehmen oder abzusetzen („Kabotage“).
In Deutschland haben sowohl das Recht auf diskriminierungsfreie Benutzung der Eisenbahninfrastruktur als auch die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Entwicklung von Wettbewerb auf der Schiene geführt. Die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen: Ende 2009 gab es in Deutschland 388 zugelassene öffentliche Eisenbahnunternehmen. 323 Wettbewerber nutzten das Schienennetz der DB Netz AG. Im Schienenpersonennahverkehr liegt ihr Anteil bei den Verkehrsleistungen 2009 bei 9,9 %, im Schienengüterverkehr sogar bei 24,6 %. Die Öffnung des Eisenbahnmarktes und der damit ermöglichte intramodale Wettbewerb hat die Eisenbahnverkehrsunternehmen leistungsfähiger gemacht und zu verbesserten Angeboten für die Kunden geführt. Um diese Effekte nachhaltig zu sichern, sind wir im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung derzeit dabei, die geltende nationale Eisenbahnregulierung auf den Prüfstand unter den Kriterien Effizienz und Kohärenz zu stellen, wobei das einschlägige europäische Recht zu beachten und umzusetzen ist. Auf europäischer Ebene sehe ich aber auch die Notwendigkeit, dass die EU-Kommission die Einhaltung der bereits zur Marktöffnung getroffenen Regelungen gleichmäßig in allen Mitgliedstaaten strenger kontrolliert. Derzeit bestehen wegen verzögerter oder nicht vollständiger Umsetzung noch Wettbewerbsverzerrungen.
Darüber hinaus setzen wir uns aufgrund der in Deutschland mit der Liberalisierung des Eisenbahnmarktes gemachten guten Erfahrungen bei der EU-Kommission dafür ein, die europäischen Eisenbahnnetze komplett für den Schienenpersonenverkehr zu öffnen.
Wichtig wäre schließlich auch, im Bereich der Zulassung von Schienenfahrzeugen stärker das Instrument der „gegenseitigen Anerkennung“ zu nutzen. Die hierdurch erzielbare Zeit- und Kostenersparnis ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen funktionierenden europäischen Eisenbahnmarkt, der so zu einem immer wichtiger werdenden Bestandteil des europäischen Binnenmarktes werden kann.
* | Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. |