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K&R 2018, I
Mann 

Neuland

Abbildung 1

RA Prof. Dr. Roger Mann, Hamburg

Angela Merkel ist 2013 dafür verspottet worden, als sie das Internet als “Neuland” bezeichnete. Wer will darüber nach Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes noch lachen? Kaum etwas bestätigt besser, dass “das Internet” unsere Gesellschaft immer noch schneller verändert, als Politik und Gesetzgeber reagieren können.

Unter dem “heiligen Gral” eines angeblichen “Rechts auf Anonymität” im Internet hat sich neben allen Segnungen der Digitalisierung eine (Un-)Kultur von Verleumdung, Hass und gefälschten Nachrichten – oder auf neuhochdeutsch “Hate Speech” und “Fake News” – entwickelt. Facebook, Twitter & Co verdienen prächtig daran und haben sich in der Vergangenheit einer rechtlichen Verantwortung für ihre Tätigkeit auf dem wirtschaftlich so interessanten deutschen Markt unter Hinweis auf ihren Sitz in den USA jedenfalls faktisch weitgehend entzogen.

Als ob die letzte Bundesregierung die komplizierte Neubildung nach der Bundestagswahl geahnt hätte, hat sie in geradezu atemberaubendem Tempo ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Medien auf den Weg gebracht. Schon diesen vollständigen Titel des Gesetzes muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein Gesetz, um andere Gesetze durchzusetzen.

Ob der bundesdeutsche Gesetzgeber bei dieser halsbrecherischen Aktion mit europäischem Recht und nationaler Zuständigkeit kollidiert ist und die Meinungsfreiheit Kratzer bekommen hat, wird beim nächsten Presserechtsforum ebenso diskutiert werden, wie eine andere Konsequenz der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft, der Datenschutz.

Im Mai 2018 wird die Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten und nicht nur viele Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Derzeit wird gerade auf Landesebene um die weitere Festschreibung der Bereichsausnahme für die Presse in den Landespressegesetzen gerungen, damit diese auch zukünftig nicht unter staatlicher Aufsicht steht – und sei es nur in Form der Datenschutzbeauftragten. Wenn Journalisten Datenschutzbeauftragten Auskunft über Informanten geben müssten, wäre das nicht nur Neuland, sondern dies könnte vor allem einen gravierenden Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit und die Pressefreiheit darstellen. Die Perspektive der Datenschützer ist bekanntlich eine andre, womit auch hier reichlich Raum für Diskussion besteht.

Neuland haben in den letzten Jahren insbesondere die Kölner Gerichte bei der Zuerkennung von Geldentschädigungen beschritten. 635 000 Euro wurden Jörg Kachelmann 2015 in erster Instanz vom LG Köln zugesprochen, eine Summe die 2016 durch das Oberlandesgericht auf 395 000 Euro reduziert wurde. Und im April 2017 verkündete die Pressestelle des LG Köln im Kohl-Verfahren um das Buch “Vermächtnis” erstinstanzlich geradezu stolz eine neue “Rekordentschädigung” von einer Million Euro. Da der Verfasser dieses Editorials an diesem noch laufenden Verfahren beteiligt ist, verzichtet er hier und in der anstehenden Diskussion auf jeden Kommentar, aber die Frage, wie unsere Gerichte ohne gesetzliche Grundlage mittlerweile siebenstellige Beträge ermitteln und ausurteilen, muss diskutiert werden.

Als geradezu alter Hut könnten angesichts dessen fast die sogenannten “presserechtlichen Informationsschreiben” erscheinen, mit denen Vertreter meist prominenter Mandanten seit Jahren vor der Berichterstattung über selbige warnen. Alles andere als ein alter Hut ist indes die Frage, ob Medienunternehmen gegen diese Form der “Zwangsbeglückung” Unterlassungsansprüche zustehen oder ob sie bei auf derartige Schreiben folgende rechtswidrige Berichterstattung nicht sogar den Auftraggebern die Kosten erstatten müssen. Neuland also auch hier. Und wie bei jeder Expedition in unbekanntes Territorium kann man über die richtige Route trefflich streiten, unter Juristen allemal. Freuen wir uns also auf ebenso kontroverse wie erhellende Diskussionen auf dem nächsten Presserechtsforum am 15. 1. 2018 in Frankfurt a. M.

RA Prof. Dr. Roger Mann, Hamburg

 
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