Erste Bußgelder auf der Grundlage des DMA
RA Dr. Sebastian Louven
Im Frühjahr hat die Kommission zwei erste Bußgelder gegen Gatekeeper nach dem DMA erlassen. Ein erstes in Höhe von insgesamt 500 Mio. EUR trifft Apple wegen Anti-Steering-Maßnahmen gegenüber gewerblichen Nutzern. Gemäß Art. 5 Abs. 4 DMA sollen App-Anbieter ihre Kunden kostenlos über alternative Angebote außerhalb des Apple-App-Stores informieren können, sie zu diesen Angeboten lenken und ihnen dort einen Kauf ermöglichen.
Die Kommission sieht hier technische und wirtschaftliche Beschränkungen, wozu man in dem Nichteinhaltungsbeschluss detaillierte Ausführungen erwarten kann. Überhaupt zeigt die Kasuistik der Marktregulierung und des Kartellrechts in letzter Zeit eine größere Neigung, sich auch tiefergehend mit technischen Marktzutrittsbeschränkungen zu befassen, wie die Sache Enel/Google des EuGH zeigt.
Das Unternehmen muss jetzt binnen 60 Tagen wirksame Anpassungen vornehmen. Dabei muss es auch Maßnahmen mit gleicher Wirkung unterlassen. Ansonsten hat die Kommission die Möglichkeit, weitere Zwangsgelder aufzuerlegen.
Der andere Nichteinhaltungsbeschluss trifft Meta wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Datenzusammenführung aus Art. 5 Abs. 2 DMA, und zwar hier spezifisch für das Pay-or-Consent-Werbemodell, welches bis zum November 2024 eingesetzt wurde. Dafür beträgt das Bußgeld 200 Mio. EUR. Die Datenzusammenführung scheint die Kommission hierbei unkritisch zu sehen. Die Nutzer erhielten jedoch keine ausreichende spezifische Wahlmöglichkeit, da es keine weniger personalisierte, aber gleichwertige Alternative gebe. Eine solche muss proaktiv angeboten werden. Die Untersuchungen für das laufende Werbemodell halten noch an. Die Kommission hat bereits um Nachweise zu den Änderungen gebeten.
Beide Unternehmen haben Rechtsmittel gegen die Entscheidungen angekündigt. Die Bußgelder erscheinen hoch, sind angesichts des maßgeblichen weltweiten Jahresumsatzes allerdings noch sehr niedrig bemessen. Die Kommission hat ihren Ermessensspielraum also noch sehr zurückhaltend ausgenutzt. Die Pressemitteilung der Kommission deutet auf eine immer noch erfolgte Verständigung hin. Vielleicht hat die Kommission auch schon vorausschauend bedacht, dass bei wiederholten ähnlichen Verstößen innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren ein Bußgeldrahmen von 20 % des weltweiten Vorjahresumsatzes eröffnet ist.
Die Unternehmen kämpfen einerseits um die Gestaltungshoheit über ihre Geschäftsprozesse. Andererseits geht es um die robuste Aufstellung gegenüber etwaigen Schadensersatzforderung von Betroffenen. Im deutschen Recht wurde das Private Enforcement weitgehend mit dem Kartellschadensersatzrecht harmonisiert. Hervorzuheben sind Besonderheiten wie etwa die Tatbestandswirkung von Kommissionsbeschlüssen, umfangreiche Auskunftsansprüche zur Substantiierung von Schadensersatzansprüchen und lange Verjährungsfristen. Für beide Gatekeeper erscheint dabei die Gruppe der Betroffenen sehr groß: Bei Apples Anti-Steering-Maßnahmen können sich unionsweit alle Dritt-App-Anbieter auf einen kausalen Schaden, also kontrafaktisch entstandene zusätzliche Vertriebseinnahmen berufen oder unberechtigte Zahlungen an Apple zurückverlangen. Bei gewerblich nutzbaren Apps kommt zudem eine mittelbare Betroffenheit von Dritten in Betracht. Die Kunden der beschränkten Dritt-App-Anbieter könnten möglicherweise zu hohe Nutzungsgebühren gezahlt haben.
Für Betroffene von Metas Datenzusammenführung wird der Weg noch spannender. Es handelt sich um Privatpersonen, für die derartige Schadensersatzklagen bislang noch nicht etabliert sind. Sie dürften aber aus Gründen der wirksamen Durchsetzung des DMA erforderlich sein. Noch offen sind hier die Konzepte zur Berechnung eines derartigen Schadens. Ein immaterieller Kartellschadensersatzanspruch ist bislang fremd. Einen neuen argumentativen Rahmen könnte das Konzept der Wettbewerbsfreiheiten bieten, indem einzelne Grundrechte und ihr rechtswidriger Verzicht durch Betroffene wirtschaftlich betrachtet werden.
In Deutschland können sich Betroffene zusätzlich auf die mittlerweile bestandskräftige Verfügung des Bundeskartellamts vom 6. 2. 2019 stützen. Die Wettbewerbsbehörde hatte in einem ungewöhnlichen Vorgehen auf der Basis von angenommenen Datenschutzverstößen einen Marktmachtmissbrauch festgestellt und somit eine praktische Blaupause für den späteren Art. 5 Abs. 2 DMA geschaffen. Im Sommer 2023 hat der EuGH dieses Vorgehen im Grundsatz bestätigt. Letzten Herbst hat der Meta-Konzern seine Beschwerde zurückgenommen.
RA Dr. Sebastian Louven*
* | Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht in Detmold; Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin; Beratungsschwerpunkte im Kartellrecht der Digitalwirtschaft und Telekommunikationsrecht. |