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INTER 2016, 181
Gruber 

Das einheitliche EU-Patent: „Gehe zurück auf Start“?

Abbildung 1

Wurde im Editorial des Heftes 2/2016 noch davon ausgegangen, dass das einheitliche EU-Patent „vor der Tür“ stehe, muss man nach dem Referendum im Vereinigten Königreich zum EU-Austritt nun davon ausgehen, dass diese Tür geschlossen bleibt. Die Verordnungen zum EU-Einheitspatent sind nämlich erst dann anwendbar, wenn das „Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht“ in Kraft getreten ist. Das Übereinkommen tritt in Kraft, sobald 13 Staaten, darunter zwingend das Vereinigte Königreich, das Abkommen ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind. Rechtlich wäre das bis zu einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zwar noch möglich; es ist aber politisch wohl nicht mehr zu erwarten.

Immer diese Briten! Bereits zu Beginn der europäischen Einigung war die besondere Situation des Vereinigten Königreichs der Grund dafür, dass ein Patentschutz in der EU nicht zustande kam: Als im Jahr 1962 ein erster Entwurf eines EWG-Patents vorgelegt wurde, war auch das Vereinigte Königreich an einer Beteiligung interessiert. Da dann aber 1963 das EWG-Beitrittsgesuch des Vereinigten Königreichs am Widerstand de Gaulles scheiterte, konnte das EWG-Patentprojekt in der ursprünglich angedachten Form nicht realisiert werden. Man entschloss sich daher, das Patentrecht durch ein völkerrechtliches Abkommen zu regeln, dem auch Drittstaaten beitreten können. So kam es 1973 zum Abschluss des Europäischen Patentübereinkommens.

Die EU-Kommission hat später immer wieder versucht, ein eigenes, harmonisiertes Patentrecht in der EU zu schaffen. Das begann 1975 mit dem (nie in Kraft getretenen) Gemeinschaftspatentübereinkommen und endet (vorläufig) mit dem EU-Einheitspatent.

Man kann das – wahrscheinliche – Scheitern des EU-Patents allerdings auch als Chance sehen, ein neues, einfacher aufgebautes Patentrechtssystem in der EU zu schaffen. Das einheitliche EU-Patent gilt nach der derzeitigen Rechtskonstruktion nämlich entgegen seinem Namen weder einheitlich in allen EU-Mitgliedstaaten, noch sind die dafür vorgesehenen Organe EU-Institutionen.

Die Patenterteilung erfolgt durch das Europäische Patentamt, dem Organ einer internationalen Organisation, der auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten angehören und bei dem deswegen nicht automatisch sichergestellt ist, dass z. B. das EU-Datenschutzniveau eingehalten wird. Von dem durch das Europäische Patentamt erteilten europäischen Patent ist das EU-Patent abhängig.

Auch das Einheitliche Patentgericht ist keine Einrichtung der EU, sondern basiert auf einem völkerrechtlichen Vertrag, da insbesondere die Briten – schon wieder! – dem EuGH mangelnde Qualität hinsichtlich seiner markenrechtlichen Entscheidungen vorwarfen und daher verhinderten, dass der EuGH auch noch für das Patentrecht zuständig wird. Dies führte dazu, dass ein vom EuGH rechtlich unabhängiges Patentgerichtssystem entwickelt wurde.

„Einheitlich“ ist das EU-Patent schon deswegen nicht, weil es im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit in der EU gemäß Art. 20 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union geschaffen wurde und Spanien und Italien sich nicht beteiligen. Aber auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten soll das EU-Patent nur dann gelten, wenn diese das Patentgerichtsübereinkommen ratifizieren. Mehrere Staaten hatten bereits vor dem Referendum im Vereinigten Königreich angekündigt, mit der Ratifizierung des Abkommens noch warten zu wollen. Für den Rechtsanwender bedeutet das, dass er auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage nachsehen muss, in welchen EU-Mitgliedstaaten das EU-Patent gerade gilt.

Der Deutsche Anwaltverein hatte in einer Stellungnahme vom Mai 2011 zu Recht darauf hingewiesen, dass das „EU-Patent mit einheitlicher Wirkung“ rechtlich ein „international-rechtliches Einheitspatent mit teilweise einheitlicher EU-Schutzwirkung“ ist.

Man kommt wohl um die Feststellung nicht herum, dass die EU bezüglich der Harmonisierung des Patentrechts keine glückliche Figur abgibt. Ist es daher nicht naheliegend, die InTeR 2016 S. 181 (182)beiden Verordnungen zum EU-Patent wieder aufzuheben und in Zukunft Reformen nicht im Rahmen der EU, sondern durch Vereinbarungen unter den EPA-Mitgliedstaaten herbeizuführen? Damit würde man die Vermischung von Völker- und Unionsrecht vermeiden.

Dafür spricht insbesondere, dass die EU bislang das materielle Patentrecht nur in einem Bereich geregelt hat. Sieht man von der Durchsetzungs-Richtlinie 2004/48/EG und den beiden VO zum EU-Patent einmal ab, ist die einzige Regelung der EU im Patentrecht die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen. Die Europäische Patentorganisation – obwohl sie durch EU-Richtlinien nicht gebunden ist – hat diese Richtlinie übrigens bereits zum 1.9.1999 (durch die Regeln 26 bis 29 EPÜVO n. F.) umgesetzt (in Deutschland erfolgte die Umsetzung dagegen verspätet durch das Biopatentgesetz vom 21.1.2005).

Wenn man die Reformbemühungen in die Europäische Patentorganisation verlagert, sollte man auch eine Vorlagemöglichkeit der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes schaffen. Derzeit können diese bei Fragen zum EU-Recht dem EuGH kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV vorlegen. Dass die Schaffung einer solchen Vorlagemöglichkeit zulässig wäre, hat der EuGH bereits in einem anderen Zusammenhang entschieden (EuGH, Urt. v. 11.3.2015, verb. Rs. C-464/13 u. C-465/13 – Oberto). Das wäre ein erster, kleiner Schritt in Richtung einer Harmonisierung des Patentrechts in der EU und würde dazu beitragen, dass die Zahl divergierender Entscheidungen der nationalen Gerichte der EU-Mitgliedstaaten zum Widerruf von Patenten zurückgeht.

Prof. Dr. Joachim Gruber, D.E.A. (Paris I)*

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