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CB 2024, I
Hembach 

CB 2024, Heft 12, Umschlagteil S. I (I)

Würde den Wegfall des LkSG niemand bemerken?

„Das LkSG schützt internationale anerkannte Menschenrechte.“

Die Zukunft des LkSG ist ungewiss. Die Bundesregierung kündigte im Juli 2024 in der „Wachstumsinitiative“ an, den Anwendungsbereich des Gesetzes im Hinblick auf die Umsetzung der CSDDD einzuschränken. Im Oktober zitierten zahlreiche Medien Robert Habeck mit der Äußerung, man solle die „Kettensäge anwerfen und das ganze Ding wegbolzen“; Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am 22. 10. 2024 beim Arbeitgebertag in Berlin, das Gesetz „komme weg“ – ließ aber später klarstellen, es gehe nicht um eine Abschaffung, sondern lediglich eine Lockerung.

„Den Wegfall des LkSG wird niemand bemerken“, äußerte sich Malte Passarge im Editorial des CB 10/2024 zu dieser Diskussion. Er hält es für begrüßenswert, dass die Regierung zu einer Abschaffung des Gesetzes tendiere und merkte an, das Gesetz zeuge von „moralischem Imperialismus und Paternalismus“, mit dem „saturierte westliche Gesellschaften“ in die „Gesetzgebung und Umwelt- und Arbeitsstandards anderer Länder eingreifen“ wollten. Hier würde ignoriert, dass andere Länder „möglicherweise andere Interessen und Wertvorstellungen“ hätten. Ist das so?

In Wirklichkeit geht es beim LkSG weder um Moral noch um Wertvorstellungen. Das Gesetz schützt internationale anerkannte Menschenrechte. Welche das genau sind, spezifiziert es in einem Anhang. Dort sind die ILO-Kernarbeitsnormen genannt, internationale Übereinkommen, die sich mit dem Verbot der Kinderarbeit, dem Verbot der Zwangsarbeit, dem Diskriminierungsverbot und der Gewerkschaftsfreiheit befassen. Sie sind unter dem Dach der Internationalen Arbeitsorganisation ILO geschlossen worden und von ihren 187 Mitgliedsstaaten weitgehend ratifiziert.1 Im Jahr 1998 gab die ILO die „Erklärung über Grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit“ ab.2 Nach dieser sind die Prinzipien, die in den ILO-Kernarbeitsnormen verankert sind, so wichtig, dass alle ILO-Mitgliedsstaaten sie anerkennen müssen – unabhängig davon, ob sie die entsprechenden Übereinkommen ratifiziert haben.

Außerdem schützt das LkSG die Rechte, die im „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ und im „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ verankert sind. Auch diese sind weltweit weitgehend ratifiziert.3

Das LkSG hat also nichts mit den Standards „saturierter westlicher Staaten“ zu tun. Und wenn in Ländern des Globalen Südens die Verletzung von Menschenrechten häufiger vorkommt als hierzulande, liegt das auch nicht an „anderen Interessen und Wertvorstellungen“. Weder ist die Regierung Indiens eine engagierte Verfechterin der Schuldknechtschaft, noch befürwortet man es im Kongo allgemein, dass Achtjährige mit Spitzhacken Kobalt aus der Erde kratzen.4

Es fällt nur den Regierungen bestimmter Länder schwerer, Rechte auch durchzusetzen, zu denen sie sich bekennen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer ist die Schwäche staatlicher Strukturen.5

Ein anderer Grund ist die ungleiche Verteilung der Kräfte in globalen Lieferketten. Der Preisdruck westlicher Unternehmen führt oft dazu, dass Erzeuger faire Arbeitsstandards nicht einhalten können. Deshalb sind westliche Unternehmen in der Verantwortung. Wie die Evaluierung gezeigt hat, die der Verabschiedung des LkSG voranging, sind sie dieser Verantwortung lange nicht gerecht geworden. Das ist allerdings nicht allein die Schuld der Unternehmen. Sie stehen im Wettbewerb und sind ihrerseits Druck ausgesetzt. Das LkSG sorgt für gleiche Bedingungen, indem es Unternehmen auf den Schutz anerkannter Menschenrechte verpflichtet, und trägt so zu höheren Standards weltweit bei.

Abbildung 1

Holger Hembach ist Rechtsanwalt. Er berät zur EMRK und zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte und ist Autor eines Buches zum LkSG.

1

Beispielsweise das ILO-Übereinkommen 29 zum Verbot der Zwangsarbeit 181 Staaten, das ILO-Übereinkommen 182 zum Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit 187, siehe https://normlex.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=1000:11001::::::.

2
3

IPbpR 173 Ratifizierungen, 6 Unterschriften; IPwskR 171 Ratifizierungen, 4 Unterschriften.

4

Vgl. dazu Siddharta Kara, Cobalt Red – how the blood of the Congo powers our lives, Macmillan USA, 2023.

5

Siehe beispielsweise den Bericht über die Korruption bei den Verhandlungen des „Deals of the Century“ über chinesischen Zugang zu Rohstoffen in der Demokratischen Republik Congo: https://thesentry.org/wp-content/uploads/2021/11/TheBackchannel-TheSentry-Nov2021.pdf.

 
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