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CB 2018, I
 

Whistleblowing sollten Unternehmen selbst regeln

Schutz von Hinweisgebern ist im Interesse der Unternehmen

Die Nachrichten über Korruption, Steuerhinterziehung und andere Skandale in großen Unternehmen, die durch interne Whistleblower aufgedeckt werden, nehmen kein Ende. Begleitet werden sie durch die Diskussion um einen stärkeren rechtlichen Schutz der Whistleblower. Kritiker mahnen, dass es für die Hinweisgeber immer noch unklar sei, welche Konsequenzen im Ernstfall auf sie zukommen. Damit verbunden ist dann nicht selten die Forderung nach einem gesetzlichen Recht auf Whistleblowing, sodass sich alle Jahre wieder auch die Politik einschaltet. So legte jüngst der Berliner Justizsenator, Dirk Behrendt, dem Bundesjustizministerium einen Beschlussvorschlag zur Erweiterung des gesetzlichen Whistleblower-Schutzes vor. Auch das Europäische Parlament hat kürzlich die EU-Kommission aufgefordert, die europaweite Verstärkung des Schutzes von Whistleblowern zu prüfen.

Eine Erweiterung bzw. Kodifizierung des Whistleblower-Schutzes ist in Deutschland jedoch weder sinnvoll noch erforderlich. Zum einen sind Arbeitnehmer durch das deutsche Arbeitsrecht (insbesondere den Kündigungsschutz) bereits im Ausgangspunkt wesentlich stärker geschützt als in vielen anderen Ländern. So hat etwa Frankreich hier durch spezialgesetzliche Regelungen erst nachgebessert. In Deutschland trägt der Arbeitgeber die Beweislast für das die Kündigung rechtfertigende Verhalten, anders als in den USA gibt es kein “at will”-Arbeitsverhältnis. Zum anderen können die Arbeitsgerichte die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen unter Berücksichtigung des jeweiligen Whistleblower-Szenarios im Einzelfall besser abwägen als ein statisches Gesetz. Ein weitergehender gesetzlicher Schutz des Hinweisgebers, wie etwa Anonymität im Verfahren, würde es den Unternehmen außerdem faktisch unmöglich machen, sich gegen Rufschädigung und Geheimnisverrat zu verteidigen. Dies dürfte v. a. zu Misstrauen auf Seiten des Unternehmens führen, womit dem Arbeitnehmer (auch dem, der Whistleblowing überhaupt nicht in Betracht zieht) im Arbeitsalltag nicht gedient ist.

Anstelle der Politik bzw. des Gesetzgebers sind daher die Unternehmen selbst gefragt, Mitarbeiter-Whistleblowing so auszugestalten, dass der bona fide Whistleblower keine negativen Konsequenzen fürchten muss. Dies ist auch und gerade im Interesse der Unternehmen, da Compliance ein ganz erheblicher wirtschaftlicher Faktor ist. Je früher Missstände aufgedeckt bzw. verhindert werden, desto geringer sind die Kosten für das Unternehmen. Der Satz “if you think compliance is expensive, try non-compliance”, kommt nicht von ungefähr.

Es empfiehlt sich daher, proaktiv im Rahmen eines Compliance-Systems auch ein durchdachtes, unternehmensinternes Hinweisgebersystem zu etablieren. Ein solches System kann Whistleblowern einen einfachen Weg eröffnen, Missstände bzw. Rechtsverstöße im Unternehmen zu melden. Neben einer internen Anlaufstelle ist es regelmäßig ratsam, auch einen externen Meldekanal über Ombudsleute zu schaffen. Ein externer Meldekanal ist insbesondere dann erforderlich, wenn die internen Kommunikationswege selbst Teil des Missstandes sind bzw. sein könnten.

Aufklärung kann hierdurch frühzeitig und geordnet erfolgen, sensible Informationen gelangen nicht vorschnell an die Öffentlichkeit. Ein etabliertes Hinweisgebersystem schafft auch Vertrauen auf Seiten des Arbeitnehmers. Eine Meldung auf diesem Wege – abgesehen von Missbrauchsfällen – ist regelkonformes Whistleblowing, dessen Ahndung durch das Unternehmen unzulässig wäre. Das Unternehmen erklärt mit der Einrichtung des Systems die jeweilige Informationsweitergabe in diesem Rahmen als gestattet. Entsprechend dürfen gemäß dem Maßregelungsverbot auch keine Nachteile für den hinweisgebenden Arbeitnehmer erfolgen.

Hinweisgebersysteme ermöglichen letztlich ein angemessenes und sachgerechtes Gleichgewicht zwischen Unternehmens- und Arbeitnehmerinteressen. Das Argument der Befürworter einer Kodifizierung, dass eine faktische Benachteiligung von Whistleblowern auch im Falle einer zulässigen Informationsweitergabe im Rahmen eines Hinweisgebersystems zu befürchten ist, verfängt nicht. Denn einer solchen Benachteiligung wird auch nicht durch ein gesetzliches Recht auf Whistleblowing abgeholfen. Die Bekämpfung faktischer Benachteiligung ist Aufgabe einer compliancefreundlichen Unternehmenspolitik. Dort, wo sie in die rechtliche Relevanz umschlägt, wird sie zum Fall der Arbeitsgerichte.

Autor

Abbildung 1

Dr. Michael Leue, RA, ist Partner der internationalen Kanzlei Bryan Cave in Hamburg. Er berät Unternehmen umfassend bei multinationalen M&A-Transaktionen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Bereich Compliance.

 
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