R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
RIW-News
23.04.2014
RIW-News
RA Dr. Philipp Fölsing: Schreckgespenst Electronic Discovery nach Sec. 28 U.S.C. § 1782a - der Fall Kreke

Seit dem Beweisantrag der Kreke Immobilien KG gegen die Deutsche Bank vor dem New Yorker Bezirksgericht (zurückgewiesen am 8. 11. 2013, 2013 WL 5966916 S.D.N.Y.) dürfte in deutschen Unternehmen mit Niederlassung in den USA ein bedrohliches Gespenst umgehen: Sec. 28 U.S.C. § 1782a (siehe unter: http://codes.lp.findlaw.com/uscode/28/V/117/1782). Die Vorschrift erlaubt Unternehmen, die außerhalb der USA in Gerichtsverfahren involviert sind, die Einsicht in relevante Unterlagen eines Dritten. Dem Wortlaut der Regelung nach müssen sie nicht unbedingt in den USA aufzufinden sein. Es genügt, dass das Unternehmen, in dessen Gewahrsam sich die Unterlagen befinden, in den USA ansässig ist. Gerade das macht § 1782a so brisant.

Zum Fall: Vor dem LG Frankfurt a. M. fordert Kreke, Vermögensverwalterin des Gründers der Douglas-Holding und seiner Nachfahren, vom Bankhaus Sal. Oppenheim Schadenersatz wegen eines fehlgeschlagenen Immobilienfonds. Zwischenzeitlich übernahm die Deutsche Bank Sal. Oppenheim. Nach der Übernahme verlangt Kreke in New York alle Unterlagen von der Deutschen Bank, insbesondere zur Bewertung der mit den gescheiterten Fonds zusammenhängenden Haftungsrisiken (legal due-diligence) und zu den Fonds selbst (Gründung, Vertrieb, Management etc.). Diese Unterlagen befinden sich in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt a. M. und gerade nicht in ihrer New Yorker Niederlassung. Kreke argumentierte jedoch, dass die Unterlagen digitalisiert und für die Deutsche Bank somit weltweit abrufbar seien.

Vor den Zivilgerichten in Deutschland muss jede Partei gemäß § 138 Abs. 1 ZPO die ihr günstigen Tatsachen vortragen und beweisen. Anders als in den USA gibt es keine pre-trial discovery. Zwar kann der Richter gem. § 142 Abs. 1 ZPO auch die nicht-beweisbelastete Partei zur Vorlage von Unterlagen auffordern, wenn sich die andere Partei auf diese bezieht. Allerdings dient § 142 Abs. 1 ZPO keinesfalls der Ausforschung der gegnerischen Partei. Deshalb ist eine entsprechende Aufforderung ohne konkreten Vortrag der beweisbelasteten Partei unzulässig. Selbst dann erhält die andere Partei nicht unmittelbar Zugriff auf die gegnerischen Unterlagen. Zunächst sieht der Richter diese Dokumente ein. Er entscheidet, welche Unterlagen in den Prozess eingeführt werden und somit Bestandteil der Gerichtsakte werden.

Könnte in einem deutschen Gerichtsverfahren ohne US-Bezug die eine Partei ihren Prozessgegner vor einem US-Gericht verpflichten, Unterlagen vorzulegen, nur weil dieser eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft in den USA hat, so wäre das sicherlich nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen (deutscher ordre public) vereinbar.

Das New Yorker Bezirksgericht hat allerdings, wie schon erwähnt, die von Kreke beantragte Beweisanordnung gegenüber der Deutschen Bank am 8. 11. 2013 abgelehnt. Die zuständige Richterin Buchwald ist der Ansicht, dass § 1782a Unterlagen außerhalb der USA generell nicht erfasst. § 1782a sei ausschließlich dazu bestimmt, Beweise in den USA zu sichern. Das hätte schon der US Supreme Court (Intel Corp. v. Advanced Micro Devices, Inc., 124 S.Ct. 2466) betont ("available in the United States").

Für deutsche Unternehmen ist die Sicht der New Yorker Gerichte besonders wichtig, da sie vor allem dort über ihre US-Niederlassungen verfügen. Das Bezirksgericht von New York ist sich aber uneins. Anders als ihre Kollegin Buchwald gab Bezirksrichterin Jones einem Antrag statt (In re Gemeinschaftspraxis, 2006 WL 3844464 S.D.N.Y.). Der US Supreme Court lehne nämlich zusätzliche, ungeschriebene Anforderungen an § 1782a ab. Noch nicht positioniert hat sich das Berufungsgericht für New York, ebenso wenig andere Bundesberufungsgerichte.

Gegen ein generelles Verbot spricht der Verweis auf Fed. R. Civ. P. 45(a)(1)(A) (iii). Die Vorschrift verpflichtet zur Herausgabe sämtlicher relevanter Unterlagen "within possession, custody or control" (siehe unter: http://law.cornell.edu/rules/frcp/rule_45), "even if the documents are located abroad" (22 Am. Rev. Int'l Arb. 135, at 142). Auch wenn die Voraussetzungen des § 1782a vorliegen, steht die Beweisanordnung aber im Ermessen (discretion) des zuständigen Gerichts. Richterin Buchwald betonte in diesem Zusammenhang, dass eine Anordnung gegen die gegnerische Partei oder eine Konzerngesellschaft regelmäßig ausscheidet. Ihnen gegenüber sei allein das Prozessgericht zuständig. Deutsche Unternehmen müssten ihre eigene Beweisordnung insbesondere dann respektieren, wenn sie sich in ihrem Vertrag ausdrücklich und ausschließlich dazu bekannt hätten. Rechtswahlklauseln sprechen also regelmäßig gegen Beweisanordnungen nach US-Recht.

Fazit: Deutsche Unternehmen können auch dann aufatmen, wenn ihre Geschäftsunterlagen digitalisiert und somit in ihrer New Yorker Niederlassung abrufbar sind. Zwar befinden sich Unterlagen, die in den USA "electronically stored" sind, auf dem Gebiet der USA (In re Veiga II, 746 F. Supp. 2d 8, 25 D.D.C. 2010). Allerdings muss der Server, auf dem die Unterlagen hinterlegt sind, in den USA stehen. Keinesfalls genügt es, wie Kreke argumentierte, dass die Unterlagen von New York aus abgerufen werden können.

Kommentare (Kommentieren)

Wir sind stets um Qualität bemüht. Deshalb wird Ihr Beitrag erst nach kurzer Prüfung durch unsere Redaktion sichtbar sein.

Ihre E-Mail-Adresse wird niemals veröffentlicht oder verteilt. Benötigte Felder sind mit * markiert

stats