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RIW-News
02.07.2015
RIW-News
Dr. Matthias Henke: Islamic Banking in Deutschland: Kuveyt Türk Bank AG ist die erste islamische Universalbank im Euroraum

Im März dieses Jahres erteilte der BaFin der Kuveyt Türk Bank AG die Erlaubnis zu Aufnahme des Bankgeschäfts. Kuveyt Türk ist damit die erste islamkonforme Universalbank in Deutschland und des Euroraums. Im Juli dieses Jahres wird die Bank, eine Tochtergesellschaft der ebenfalls islamkonformen türkischen Bank Kuveyt Türk Katılım Bankası A.Ş., voraussichtlich ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen. Damit geht eine intensive Vorbereitungsphase und eine intensive, mehr als zweijährige Prüfung von BaFin, Deutsche Bundesbank und Entschädigungseinrichtung deutscher Banken zu Ende und das nach westlichen Maßstäben ungewöhnliche Geschäftsmodell stellt sich der Realprobe.

Was ist Islamic Banking?

Islamic Banking bezeichnet das Betreiben von Bankgeschäften, die im Einklang mit den Regeln und dem religiös-ethischen Wertekanon des Islam und seinen Verpflichtungen zu sozialer Verantwortung stehen. Zu den wesentlichen Säulen gehören das Zinsverbot, das Spekulationsverbot und das Verbot von Vertragsbeziehungen, die mit ethischen Grundsätzen des Islam im Widerspruch stehen (v.a. Rüstungs-, Tabak-, Pornographie- oder Alkoholindustrie). Leerverkäufe, die die BaFin 2008 zum Schutz der Finanzmärkte untersagte, wären für islamische Banken wegen des Spekulationsverbots nicht notwendig gewesen. Das islamische Recht verbietet Leerverkäufe. Damit deckt sich Islamic Banking zum Teil mit einer universellen auch westlichen ethischen Wertevorstellung, die insbesondere durch die Erfahrungen der Finanzkrise gestützt in größeren Kreisen unserer Bevölkerung Zustimmung findet. Islamische Banken können damit dem Banksegment der ethischen Banken zugeordnet werden, die sich einem nachhaltigen Wirtschaften unterordnen. In dieser Nische konnten sich in Deutschland einige Institute positionieren. Beispielhaft sind die GLS Gemeinschaftsbank eG, die UmweltBank AG und die EthikBank eG genannt.

Die Geschäftsherausforderungen sind für das Betreiben des Isla           mic Banking in Deutschland erheblich höher als für das übliche Bankgeschäft. Zum einen muss jedes einzelne Bankprodukt in den Schranken des deutschen (Steuer-)Rechts neu konzipiert und umgesetzt werden. Beispielsweise gilt es bei der Murabaha-Immobilienfinanzierung, den doppelten Anfall der Grunderwerbsteuer aufgrund des Zwischenerwerbs der Immobilie durch die Bank zu vermeiden, um ein wettbewerbsfähiges Produkt zu ermöglichen. Dies führt zu nicht unerheblichen Investitionskosten, da das dafür notwendige Know-how neu erarbeitet werden muss. Zum anderen werden an die Compliance-Organisation besondere Herausforderungen gestellt. Die eigentliche Geschäftsgrundlage in das Islamic Banking ist das Vertrauen der Kunden in die islamkonforme Ausgestaltung der Produkte und Prozesse. Eine Erschütterung dieses Vertrauens hätte fatale Folgen. Als „Wächter“ über die Islamkonformität wachen bei der Kuveyt Türk Bank AG ein interner und ein externer Ethikrat.

Bedeutung Islamischer Banken

Islamische Banken entwickelten sich seit ca. den 1970er Jahren in islamischen Staaten und stellen heute eine feste Säule im globalen Bankenmarkt dar. Nach Untersuchungen des Magazins The Banker sollen die größten 500 islamischen Finanzinstitute 2009 ein durchschnittliches Wachstum ihrer Bilanzsumme um ca. 28% verzeichnen und die größten 1.000 westliche Banken ein Wachstum in Höhe von ca. 7%. Das Geldvermögen aller Muslime wird in den vergangenen Jahren stark angestiegen auf ca. 4 Bio. USD geschätzt. In Europa nimmt Großbritannien eine Vorreiterrolle für das Islamic Banking ein. Dort existiert seit 2004 mit der Islamic Bank of Britain Europas erste islamische Bank.

Marktchancen für Islamic Banking in Deutschland?

Das in Studien belegte Potential für Islamic Finance in Deutschland steht im Widerspruch zu den Erfahrungen beispielsweise der Commerzbank und der Deutschen Bank. Die Commerzbank-Tochter Cominvest liquidierte 2005 den für den deutschen Markt konzipierte Al Sukoor European Equity Fund und schloss damals das einzige in Deutschland vertriebene islamkonforme Anlageprodukt. Die Deutsche Bank bietet über ihre Tochtergesellschaft DWS Noor Islamic Fonds aktiv nur in islamischen Ländern und nicht in Deutschland an. Die Nische des Islamic Banking in Deutschland konnten die westlichen Banken nicht profitabel besetzen. Im Gegensatz zur Deutschen Bank und der Commerzbank bietet Kuveyt Türk nicht nur ein „Islamic windows“ an, sondern ist in allen Prozessen und Produkten islamrechtlichen/ethischen Prinzipien untergeordnet.

Die Marktchancen einer Islamic Bank in Deutschland hängt vor allem davon ab, Vertrauen in ihren Zielgruppen zu schaffen und das beschränkte Potential bestmöglich zu heben. Die Zielgruppe für das Islamic Banking wird sich vorrangig auf die in Deutschland lebenden ca. 4,3 Mio. Muslime fokussieren. Türkisstämmige Muslime stellen mit ca. 2,7 Mio. die größte Gruppe unter ihnen dar. Die Herausforderung wird es sein, wettbewerbsfähige Bankprodukte glaubwürdig anzubieten und v.a. Muslime zum Wechsel zu einer islamischen Bank zu bewegen. Mit welchem Erfolg dies die Kuveyt Türk Bank umsetzt, bleibt gespannt abzuwarten.

Dr. Matthias Henke
, Rechtsanwalt, KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Schwerpunkte seiner Arbeit sind Bank- und Finanzmarktrecht sowie Gesellschaftsrecht, Lehrbeauftragter der Universität Duisburg-Essen, Mercator School of Management

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