Prof. Dr. Christian Förster: Das Japanprogramm der Robert-Bosch-Stiftung für Rechtsreferendare
Im Jahr 2009 hat die Robert-Bosch-Stiftung ein „Japanprogramm für Rechtsreferendare“ aufgelegt. Es fördert seitdem jedes Jahr bis zu 15 besonders qualifizierte Kandidaten, die ihre Wahlstation in Japan verbringen möchten. Die Auswahl aus der stets großen Zahl an Bewerbern nimmt eine mehrköpfige Jury vor, die u. a. die Motivation der Referendare, gewisse Grundkenntnisse über Japan und seine Rechtsordnung sowie die sprachlichen Fähigkeiten im Englischen bewertet. Japanisch-Kenntnisse werden nicht erwartet, sie sind erfreulicherweise aber zunehmend häufiger anzutreffen (aktuelle Informationen zum Programm unter: http//www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/21754.asp).
Während sich die ausgewählten Teilnehmer um den juristischen und organisatorischen Teil ihres Auslandaufenthalts selbst kümmern müssen, übernimmt die Stiftung nicht nur die Reisekosten, sondern gewährt auch für drei Monate ein großzügiges Stipendium, das bei den hohen Lebenshaltungskosten in Japan mehr als hilfreich ist. Vor der Abreise wird bei einem mehrtätigen Einführungsseminar Wesentliches zur Landeskunde und zu ausgewählten Bereichen des japanischen Rechts vermittelt, sowie mit einem interkulturellen Training dafür gesorgt, dass die Teilnehmer zumindest den größten Fettnäpfchen ausweichen können. In Japan angekommen, werden regelmäßige Sprachkurse und zusätzliche fachliche Veranstaltungen angeboten, wobei auch ein deutscher Ansprechpartner nicht fehlt.
Warum nun gerade Japan? Was auf den ersten Blick so fern erscheint, ist für uns deutsche Juristen tatsächlich durchaus „nahe liegend“: Dies deshalb, weil der Einfluss des deutschen Rechts auf die japanische Rechtsordnung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert stärker war und ist als der jeglichen anderen nationalen Rechts. Insbesondere das Zivilgesetzbuch, das überall im Zentrum der Rechtsordnung steht, trägt unverändert die Züge seiner Vorlage in Gestalt des Ersten Entwurfs zum BGB und wird etwa im Schuldrecht derzeit einer grundlegenden Reform nach deutschem Muster unterworfen. Aufgrund der japanischen Expansion ab 1900 wurde das BGB – nicht immer ganz freiwillig – auch in Südkorea und in China bzw. in Taiwan rezipiert. Rechtsvergleichend betrachtet, bietet sich in Japan die einzigartige Möglichkeit, die Transformation des eigenen Rechts in einen völlig anderen Kulturkreis zu studieren. Gleichzeitig bildet Japan aufgrund seiner Mittler-Rolle unverändert einen „Brückenkopf“, von dem aus sich auch die anderen genannten Regionen erschließen lassen.
Zu bedenken ist weiter, dass die institutionalisierte Auseinandersetzung mit dem ostasiatischen Recht in Forschung und Lehre hierzulande immer noch „Exoten-Status“ besitzt, obwohl in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft immer wieder von den „Herausforderungen des (Ost)Asiatischen Jahrhunderts“ gesprochen wird, denen sich die westliche Welt stellen muss. Zwar kann ein grundsätzliches Interesse der juristischen Fakultäten, asiatisches und insbesondere japanisches Recht in das hiesige Curriculum einzubinden, nicht rundheraus geleugnet werden. Allerdings handelt es sich nahezu ausnahmslos um eher „projektartige“ Einzelveranstaltungen, die ein dauerhaftes Engagement vermissen lassen. Als Ausnahmen zu nennen sind insoweit lediglich die Professur für „Japanisches Recht und seine kulturellen Grundlagen“ an der Universität Frankfurt a. M., die Moritz Bälz innehat. Das Institut für japanisches Recht an der FernUniversität Hagen bietet zumindest die Möglichkeit, einen einjährigen Fernstudienkurs zum japanischen Recht zu absolvieren. Mit dem Japan-Referat am Max-Planck-Institut in Hamburg und der dort erscheinenden „Zeitschrift für Japanisches Recht“ schließlich sorgt Harald Baum seit vielen Jahren dafür, dass es auf der Ebene der Forschung weiter vorangeht. Darüber hinaus finden sich, soweit ersichtlich, nur Initiativen Einzelner, die auf die Unterstützung ihrer jeweiligen Fakultät oder anderer Förderer angewiesen sind.
Diese Lücke insbesondere in der juristischen Ausbildung ist gerade angesichts der stetig steigenden Bedeutung Asiens in der späteren Berufspraxis international tätiger Juristen kaum zu verstehen. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die ernsthafte Beschäftigung mit dem asiatischen Recht zwingend erfordert, eine der dortigen Sprachen zumindest in den Grundzügen zu lernen, vor allem um an die ausländischen Kollegen tatsächlich „heranzukommen“. Wer aber auch nur einmal erlebt hat, wie bereits selbst rudimentäre Kenntnisse beispielsweise der japanischen Sprache, gepaart mit einer gewissen fachlichen Expertise, bislang verschlossen geglaubte Türen öffnen können, der wird sich dem notwendigen Aufwand nicht verweigern wollen. Dies zumal, da wir als deutsche Juristen aufgrund des bereits erwähnten, eher zu- als abnehmenden deutschen Einflusses des deutschen Rechts auf viele asiatische Rechtsordnungen eine ganz besonders günstige Ausgangslage besitzen. Das Japan-Programm der Robert-Bosch-Stiftung eröffnet engagierten Juristen eine hervorragende Möglichkeit, einen ersten Schritt zu tun, um von dieser Situation zu profitieren. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass sich auch in den kommenden Jahren viele Referendare um einen Platz bewerben werden. Je mehr Juristen nämlich die Auseinandersetzung mit dem asiatischen Recht als etwas ganz Alltägliches ansehen, desto weniger wird sich der sowohl ungerechtfertigte als auch kontraproduktive „Exoten-Vorwurf“ zukünftig noch halten lassen.
(Der Autor ist ab dem 1.7.2014 als Professor am "Cluster of Excellence - Asia and Europe" der Universität Heidelberg tätig)