Dr. Matthias M. Weiß: Korruptionsbekämpfung auf Britisch – der Bribery Act 2010
Jetzt auch Rolls Royce. Rolls Royce – Ikone der Britischen Industrie und mittlerweile Teil des BMW-Konzerns. Es geht um Korruption in Millionenhöhe; die Presse spricht von Bestechungsgeldern von 80 Millionen Dollar. In London kam es bereits zu ersten Verhaftungen. Das Unternehmen habe, so der Vorwurf, „Mittelsmänner“ eingesetzt, um sich lukrative Verträge im Ausland zu sichern. Das Serious Fraud Office – zuständig für die Ermittlungen in großen und vielschichtigen Korruptionsfällen – ermittelt wegen Verstößen gegen den UK Bribery Act 2010.
Zur Erinnerung: Der UK Bribery Act 2010 trat am 1.7.2011 in Kraft. Er normiert in Section 7 eine strafrechtliche Haftung von Unternehmen. Dies ist an sich nichts Besonderes – jedenfalls nicht in England. Denn wenn ein englisches Strafgesetz von „person“ spricht, meint es grundsätzlich natürliche und juristische Personen. Mit anderen Worten: Eine Unternehmensstrafbarkeit muss an sich nicht ausdrücklich normiert werden. Sie wird von vornherein in jeden Straftatbestand mit „hineingelesen“. Ein solches „Hineinlesen“ scheidet aber aus, wenn der im Raum stehende Straftatbestand denknotwendig keine Anwendung finden kann auf Unternehmen; etwa dann, wenn ein Gesetz keine Geldstrafe verhängt, sondern eine Freiheitsstrafe vorsieht. Aber wessen Verhalten wird dem Unternehmen als eigenes zugerechnet? Vor dem Hintergrund der Leitentscheidung Tesco Supermarkets Ltd v Natrass aus dem Jahr 1972 ist ein Unternehmen nur dann strafbar, wenn hochrangige Unternehmensvertreter – etwa Mitglieder des Board of Directors – federführend („directing mind and will“)in kriminelle Handlungen verstrickt sind. Nur dann wird dem Unternehmen das strafbare Verhalten dieser natürlichen Personen als eigenes zugerechnet.
Dennoch hat die in Section 7 UK Bribery Act 2010 niedergelegte Unternehmensstrafbarkeit für große Diskussionen gesorgt. Nicht nur in Deutschland, wo es (derzeit noch) kein Unternehmensstrafrecht gibt, sondern auch in England. An generellenRessentiments gegen die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen kann es jedenfalls in England nicht liegen. Woran aber dann? M. E.: an der weiten, man könnte sogar sagen ausufernden Haftung.
Zwei Punkte sind hier zu nennen:
(1) Ein Unternehmen haftet strafrechtlich – verschuldensunabhängig und in der Höhe unbegrenzt – für Schmiergeldzahlungen von natürlichen oder juristischen Personen, wenn diese Person mit dem Unternehmen verbunden ist. Der Bribery Act 2010 spricht von einer sog. „associated person“. Das kann jede Person sein, welche die tatsächliche Möglichkeit hat, für das Unternehmen zu bestechen. Auch Lieferanten können eine solche „associated person“ sein, das Gleiche gilt für Joint Venture-Partner. Die Haftung greift also gerade auch dann, wenn kein „directing mind and will“ in die Bestechung verwickelt ist.
(2) Die Unternehmensstrafbarkeit reicht auch räumlich sehr weit; eine geringfügige geschäftliche Verbindung ins Vereinigte Königreich genügt, etwa der Vertrieb von Waren dorthin über das Internet. Schon das löst die Unternehmensstrafbarkeit aus, dann sind die englischen Strafverfolger zuständig. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bestechungshandlung im UK oder irgendeinem anderen Ort auf der Welt erfolgte.
Die Folge ist: weite Haftung, geringe Kontrolle. Denn welches Unternehmen kann schon sicher sein, dass nicht irgendjemand irgendwo auf der Welt in seinem Namen besticht? Keines!
Rechtspolitisch ist diese weite Haftung sicherlich gewollt: Laut einem Bericht der Kommission der Europäischen Union aus dem Jahr 2014 kostet Korruption die EU-Wirtschaft jedes Jahr rund 120 Milliarden Euro. Das ist fast so viel wie der gesamte EU-Haushalt! Was aber bedeutet der UK Bribery 2010 für Unternehmen? Sie sollten ihre Compliance-Strukturen den veränderten Gegebenheiten anpassen. Die Guidance zum Bribery Act 2010 (herausgegeben vom Ministry of Justice) liefert wertvolle Hinweise.
Und was bedeutet das Vorgehen des Serious Fraud Office gegen Rolls Royce für Unternehmen? Es wird ernst. Der Joint Head of Bribery and Corruption des Serious Fraud Office, Mister Ben Morgan, ließ auf einer Veranstaltung in Panama Ende 2013 keinen Zweifel: Größe und Reputation eines Unternehmens schützen nicht vor strafrechtlicher Verfolgung. Selbst wenn Rolls Royce mit einem blauen Auge davonkäme – der Reputationsschaden ist bereits jetzt enorm. Treffen kann es jeden. Unternehmen sollten vorbereitet sein.
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